Eros-Center als Aussiedler-Bleibe

■ Bremerhavener Magistrat will 30 Spätaussiedler-Familien im Eros-Center einquartieren / Das Bordell liegt mangels Kundschaft still / Bisher leben Spätaussiedler und Asylbewerber in einzelnen Privatwohnungen

Sie kommen aus den weiten Ebenen Polens und der Sowjetunion. Einige von ihnen „schwäbeln“, weil ihre Urahnen vor Jahrhunderten aus dem Südwesten Deutschlands nach Osteuropa emigrierten, alle sind streng religiös. Jetzt sollen dreißig Spätaussiedler-Familien in den ehemaligen Bremerhavener Puff einziehen, mitten im „Rote-Laterne-Viertel“ der Stadt. Genauer: in die oberste Etage des Eros-Centers in der Rickmersstraße.

Denn das Geschäft mit der Liebe der Matrosen geht in Bremerhaven immer schlechter, das

Eros-Center liegt schon seit mehreren Jahren still. Der typische Seemann von heute ist nicht mehr „Hein Mück“, der gut verdienende, spendable Freier mit der „Buddel Rum“ in der Jackentasche. An seine Stelle ist der nach den kargen Tarifen seines Heimatlandes bezahlte Pakistani oder Indonesier getreten: Fleißig und, was schlimmer ist, sparsam. Zwar kommen auch viele Prostituierte im hafennahen „Rote-Laterne-Viertel“ Bremerhavens ebenfalls aus Südost -Asien, für die billigen Matrosen sind sie dennoch zu teuer. Denn die deut

schen Bar-und Hotelbesitzer wollen an der Arbeit der Frauen kräftig mitverdienen.

Der Betreiber des Eros-Centers hatte das gutbürgerliche Wohnhaus erst Anfang der 80er Jahre für seine Zwecke umbauen lassen: Von den Fluren gehen luxuriöse Hotel-Appartements ab, auf jedem Flur ist eine Bar eingerichtet, wo die Freier zusätzlich Geld ausgeben sollten. Nur im obersten Stockwerk des Blocks liegen 30 abgeschlossene kleine Wohnungen. Statt stundenweise an Prostituierte und ihre Freier will der Besitzer das oberste

Stockwerk nun auf unbestimmte Zeit an die Stadt Bremerhaven vermieten, denn mit einem weiteren Zustrom von Spätaussiedlern ist zu rechnen. Im Hof des Eros-Centers, so regte der ehemalige Puff-König an, könnten Sandkästen für die Kinder der Spätaussiedler gebaut werden.

In Bremerhaven gibt es für Spätaussiedler bisher kein Wohnheim oder Lager. In öffentlichen Gebäuden sind nur wenige untergebracht, so in der früheren Jung-Fischer-Schule am Seedeich oder im stillgelegten Stadtbad. Alle anderen leben in einzelnen Wohnungen, verteilt über das Stadtgebiet. Die Stadt hat diese Wohnungen von der Gewoba oder von privaten Hausbesitzern nicht gemietet, sondern die Aussiedlerfamilien nur an die Eigentümer vermittelt. In der Regel muß das Sozialamt aber die Miete für die mittellosen Familien bezahlen.

Wenn es nach Günther Jarchow, dem Leiter des Bremerhavener Sozialamtes'geht, wird das

bei dem ehemaligen Bordell in der Rickmersstraße genauso sein. Die Mietverträge sollen zwischen den Aussiedlerfamilien und dem Besitzer des Eros-Centers zustande kommen, das Sozialamt soll nur als Vermittler auftreten. Beamte der Sozialbehörde haben sich das Gebäude angesehen und sind zu der Überzeugung gekommen, daß es für die Aussiedlerfamilien geeignet ist. Im Gespräch ist ein Mietpreis von fünf Mark für den Quadratmeter, also von 200 Mark kalt für eine durchschnittliche Wohnung unterm Puffdach. Wenn der Besitzer des früheren Eros-Centers noch mehr als die 30 Wohnungen im obersten Stockwerk an Spätaussiedler vermieten will, dann muß er die anderen, bordellmäßig hergerichteten Stockwerke erst umbauen, sagte Sozialamtsleiter Jarchow gestern. Ob die Stadt mietet oder nicht, wird der Magistrat in den nächsten Wochen entscheiden.

Michael Weisfeld