WILDE MECHANIK

■ Von der Bildhauergruppe Odious sprach Klaus Hartmann mit uns

Wie gehts Dir denn so?

Klaus:Och, ganz gut. Heute früh war ich mit fünf Mädchen zwischen drei und acht im Zoo. Der Löwe schlief. Beim Seelöwen waren wir pünktlich um 11: „Heute keine Fütterung“. Fastentag. Sehr gesund, aber jetzt beruhige mal fünf Kinder, denen du das versprochen hast. Die Eisbären waren müde. Die Wölfe waren ganz mager. Beim Zoophotographen ließen sich gerade zwei Engländerinnen photografien. Aber der Schoßlöwe hatte keine Lust und haute ab, was die Kinder heftig zum Lachen brachte, was die Photographin ärgerte.

Und die Arbeit? Wo kauft ihr eigentlich euren Schrott her?

Also da gibt es ganz verschiedene Schrottplätze, von seriös bis unseriös. In Lichtenrade, nein Lichterfelde gab's die schärfsten, zwei polnische Brüder, immer in braunen Anzügen mit Krawatte. Sie waren bestens sortiert und der Schrottpreis variierte nach Tageslaune.

Wie teuer ist denn Schrott?

Man unterscheidet zwischen sortierten und unsortierten Schrottplätzen, die sortierten sind in der Regel doppelt so teuer. Am teuersten ist z.B. Krüger unter den Yorckbrücken, da kostet das Kilo eine Mark. Da kriegst du aber alles, etwa Doppel-T-Träger nach Maßen, Platten usw. Wenn wir gezielt etwas brauchen, fahren wir halt zu dem. Bei dem besagten Polenschrottplatz kosteten Platten 80 Pf und vom Unsortierten 30 Pf das Kilo. Bei der Gotzkowskybrücke liegen Riesenhaufen, wenn du Glück hast nach Edelmetall und Normalschrott getrennt. Sehr nett und charmant ist der Schöneberger, auch unsortiert, den macht ein uns wohlgesonnener Herr, der einen überall hin läßt und seit acht Jahren den gleichen Preis hält - 35 Pf/kg. Da finden wir immer die obskursten Teile. Der von Lange&Koch in Spandau ist der größte, aber da ist es immer so voll und betriebsam und kostet auch 50 Pf.

Kauft ihr zusammen ein oder jeder für sich?

Alleine nie. Theoretisch aber könnte ich jetzt für jeden was mitbringen, ich weiß, was jeder bevorzugt. Und das passiert ja auch, daß mir die anderen schöne Teile aussuchen. Schön heißt für mich eben „verknautscht, verbeult, verformt und massiv“, für Thomson auf jeden Fall „bunt“, Platten, Röhren, alle Formen aber keine verknautschten, Gisela hat am liebsten Bänder, bei Duschat sind's die Bleche, Lochbleche und Klebberböden (?), Röhrenendstücke, bei Gustav sind's Platten, Rohre und bei Stielow meistens größere Massivteile. Von daher geht das ganz gut, man kauft das und schmeißt das zusammen hin. Die Rechnungen werden gemeinsam bezahlt und am Ende vom Jahr hat der eine kleine und der andere eben große Skulpturen.

Aber Geld habt ihr doch genug, bei den vielen Ausstellungen?

Im Gegenteil, die sind alle unterfinanziert. Das dient nur dem Ruhm. Philipp Morris hatte uns 50.000 für den Katalog zugesagt, zahlte aber bloß die Hälfte, gekostet hat er 60.000. Die Geschäftspolitik hat sich geändert. Philipp Morris wird sich ohnehin mehr aus der Kunst zurückziehen. Das Sponsorentum ist hier ja nicht sehr anerkannt, es gilt als konservativ. Und somit ist es noch anrüchiger, als vom Senat Geld zu nehmen. Jetzt wurden wir zu einem Kunst-am-Bau -Wettbewerb eingeladen, man stellt sich „Vier Bären“ vor. Die Ausführung würde uns helfen.

Ich finde, man sollte eine sogenannte Abräumkommission einsetzen, die durch die Stadt geht und rigoros alles abschafft, was so nach 45 an Kunst-am-Bau in die Gegend gesetzt wurde. Dann müßten alle Wettbewerbsausführungen mit einer Bronzetafel versehen werden, auf der in Goldlettern die Juroren aufgeführt sind, damit jeder nachlesen kann, wem er dieses wunderbare Kunstwerk zu verdanken hat. Und es müßten mehr Direktaufträge vergeben werden an „internationale Größen“, um den Maßstab in Erinnerung zu rufen. Vielleicht sollte man das nicht dem Bausenator überlassen, vielmehr einem Künstler. Bernini als Baumeister von Rom hat ja auch nicht alles alleine gemacht, sondern sich gute Leute geholt, Aufträge verteilt.

Wie kommt's, daß ihr als Gruppe so lange, seit sieben bzw. in der jetzigen Besetzung seit fünf Jahren zusammen seid?

Wir sind alle keine solch starken Individuen, daß wir niemanden neben uns ertragen könnten. Zum anderen hätte man das alleine gar nicht oder nur mit großem technischen Aufwand betreiben können. Dazu ist von uns keiner der Typ. Hinzukommt, daß wir quasi von Anfang an Erfolg hatten, komischerweise, denn es war zur Hochzeit der Wilden. Wir sind „wild“ höchstens formal, in der Rangehensweise, in der Gestik, im Sinne der actionpainting, aber nicht inhaltlich.

Wilde Mechanik?

Ja, sinnlose Schlosserarbeiten. Wir hatten einfach Glück. Das war erst meine dritte Skulptur überhaupt, die '83 für das FBK-Plakat ausgewählt wurde. Und damit hatten wir die Aufmerksamkeit von Ohff. Das war schon sehr nützlich. Das merken wir jetzt, wo er nicht mehr da ist.

Wie streitet ihr euch?

Abwaschdiskussionen gibt es bei uns nicht. Entweder selber machen oder bezahlen. Ebensowenig Vernichtungsdiskussionen. Plastisch, auf die Kunst gesehen kritisieren wir uns hart. Dadurch daß wir ähnlich arbeiten und wissen wovon wir reden, ist das möglich. Aber auch da gibt's zu unterscheiden, wer was sagt. Ich könnte ja zu Stielow sagen „mal‘ doch den Stein an“, worauf er das Entsetzen bekäme. Oder Duschat möchte Volumen sehen, was ich gerne reduziere. Ganz schön ist es, wenn morgens jemand dran rumgebastelt hat, etwas hingestellt, einen Zettel dazugelegt oder mit Kreide etwas dazu gezeichnet hat. Meistens haben die anderen dann recht. Aber wenn einer von uns gehen würde, wär's auch vorbei. Austauschbar ist keiner, obwohl wir kein Konzept haben. Das ist wie in einer Ehe. Never change a winning team.

Zurück zum Schrott. Macht ihr Recycling-Kunst?

Der Anspruch politisch zu wirken, wie das der Operettenmarxist Hrdlicka posaunt, ist uns zu pathetisch. Das ist höchstenfalls ein Nebeneffekt. Manchmal ist das Vorgefundene Ausgangspunkt für eine Idee, und manchmal würden wir die Teile lieber neu kaufen.