Wenn alles wackelt, wackeln wir eben mit

■ Seit einer Woche gastiert die Variete-Gruppe „Parody Paradise“ im Schlachthof (siehe taz, 18.7.). Die taz sprach mit Harald Ginda und Fafa, dem kreativen Kopf der 6-Mann-und-1-Frau-Truppe

Fafa hat nicht nur einen schönen Namen. Sie verzaubert auch gern mal einen falsch lachenden Zuschauer in einen Frosch, droht sie jedenfalls an. Hacki ist im Programm mal Dumm -August Hercule, mal Herzensbrecher Heinzi und aus dem stockkatholischen Münster, Sohn einer Deutschen und eines Ukrainers, gelernter Dekorateur und Bühenenbildner und zweieinhalb Jahre Hintergundmann bei Roncalli. Dazu noch Peter Rose, Schlagzeuger von PP und 1984 gemeinsam mit Hacki Besitzer eines alten Zirkuszeltes, das in München nach einem Hagelsturm unbrauchbar darniederlag (darum wird heute nur noch in 'festen Häusern‘ gastiert). Hacki macht das Management, Fafa die Bühnenarbeit, Peter die Technik. Mit sechs anderen Gauklern und zwei Technikern ist das alles zusammen PP, macht Spaß und ist wert, ausgefragt zu werden.

taz: Wie habt ihr euch zusammengefunden?

Hacki: PP war eigentlich ein Experiment, das nur einen Monat existieren sollte. Ich habe Fafa in einem Pariser Straßencafe kennengelernt und mich gleich in sie verliebt. Sie war damals beim Frauenzirkus Cirque de Barbarie und hatte ein paar tolle Nummern drauf. Wir fragten uns, ob wir daraus nicht ein ganzes Programm machen könnten.

Fafa: Ich wollte mit meiner Magie auf der Bühne die Leute immer zum Lachen bringen. In dieser Show kann ich das am besten. Früher im Frauenzirkus war ich

nur eine Nummer von vielen. Nach zwanzig Minuten war alles vorbei. Doch hier bin ich zwei Stunden voll dabei.

H.: Nach einiger Zeit hatten wir dann alte Freunde zusammengetrommelt. Die arbeiteten beim Film oder machten Musik. Außerdem trafen wir Cotton McAloon, einen versierten Jongleur. Auf eigene Faust etwas zu unternehmen, das gefiel allen.

Wie ist euer Programm entstanden?

H.: Ursprünglich wollten wir 'nur‘ ein paar Nummern zusammenstellen, die wir beherrschten. Daraus hat sich nun im zweiten Jahr unsere Show entwickelt. Letzes Jahr sind wir nach nur zwei Monaten gleich vors Publikum gegangen. Da sind uns natürlich eine ganze Menge Fehler passiert. Aber wir sehen darin eine Form von Improvisation, aus der beziehen wir unseren eigenen Spaß. Wenn in Hamburg unvermittelt die S -Bahn vorbeirattert und alles wackelt, dann wackeln wir eben mit. Das Publikum findet so etwas toll. Oder: Wenn heute abend das Telephon klingelt, dann ist das ein blöder Zufall. Aber wenn es das morgen an der gleichen Stelle tut, haben wir das so geplant.

Ihr wurdet mal als professionelle Dilettanten bezeichnet. Trifft euch das?

H.: Wir müssen schon in jeder Beziehung professionell sein, anders könnten wir gar nicht bestehen. Ein überzeugender Dilettant zu sein, hat auch mit Professionalismus zu tun... Das ist unser

Freiraum, in dem wir über Witz kleine Geschichten vermitteln.

Habt ihr euch rechtzeitig in die populäre Andre Heller-und Roncalliromantik eingeklinkt?

Beide lachen laut

H.: Wir haben nun überhaupt nichts mit Mode zu tun. Ob wir das heute machen oder schon vor zehn Jahren gemacht hätten, im Endeffekt wäre das die gleiche Show geworden, trotz Roncalli. Wir haben unsere Möglichkeiten gesucht und gefunden und dabei nie mode-oder zeitgeistmäßig geplant, damit wir die Hütte voll kriegen.

Macht ihr euch Gedanken um die Zukunft?

F.: Wir haben alle Angebote, woanders mitzumachen. Und in der spielfreien Zeit bleibt uns auch gar nichts anderes übrig, als in anderen Shows mitzumachen. Auch Cotton hätte keine Probleme, anderswo mehr Geld zu verdienen. In renommierten Zirkussen oder Gruppen bekommst Du zweihundert bis dreihundert Mark für zwanzig Minuten, die Du abreißt. Hier gibt's nur zweihundert in der Woche.

H.: Darum ist unser diesjähriges Programm auch so ähnlich wie letztes Jahr. Wir haben nicht das Geld, um im Winter in aller Ruhe etwas Neues zu erarbeiten. Aber hier haben wir uns unsere eigenen Arbeitsplätze geschaffen. Wir haben uns nicht engagieren lassen, sondern als freie Gruppe etwas aufgebaut. Aber längerfristig möchten wir uns schon ein paar Dinge anschaffen, die ein Zirkus auch hat. Wohnwagen zum Bei

spiel. Irgendwann muß sich das Ganze auch mal wirtschaftlich tragen.

Fafa, Du bist die einzige Frau in der Gruppe derzeit. Ist das nicht etwas schwierig, zumal Du aus einer reinen Frauengruppe zu PP gekommen bist?

F.: Was die Gruppe anbetrifft, fühle ich mich hier weit wohler. Wir sind eine Gemeinschaft, es ist fast wie eine Kommune. Im Frauenzirkus waren wir bloß zehn

Frauen, die zusammengearbeitet haben. Es stimmt schon, noch eine Frau wäre ein guter Ausgleich zu all den Männern um mich herum auf der Bühne. Aber wir wollen keine Frau, nur damit eine da ist. Sie muß schon etwas können. Solche Frauen sind leider schwer zu finden.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte und übersetzte Jürgen Francke