Beuys und Bremer Hightech

■ Die Kunsthalle hat viele großformatige und bedeutende Bilder, aber nur einen halbwegs modernen und leider defekten Videorecorder: also keinen Beuys-Film, dafür Bisons

Einen erneuten Beweis, wie unausgereift das Verhältnis zwischen Kunst und Technik ist, bot der gestern abend geplante Video I like America and America likes me von Joseph Beuys.

Im Rahmen der Austellung „Mythos Europa“ sollte Kunstinteressierten zwischen großformatigen Gemälden auch mal Kunst neuerer Medien zugänglich gemacht werden. Das scheiterte so formvollendet, wie man es vom verschlafen elitären Kunstbetrieb Kunsthalle nur erwarten konnte.

Ungewohnt zahlreich war an diesem Abend das Publikum, was sich nicht zuletzt an den nicht mehr vorhandenen Sitzgelegenheiten bemerkbar machte. Vorwiegend junges Publikum bevöl

kerte die spärliche Anzahl von Stühlen vor einem nicht übermäßig modern anmutenden Videorecorder.

Den goldenen Rahmen eines Emil Rene Menards unangenehm im Rücken (ein nervös wirkender junger Mann hantiert an der Technik), harre ich der Dinge, die da kommen werden. Nach fast zwanzig Minuten harre ich immer noch, außer flimmernden Rot-, Blau-und auch mal Grüntönen war nichts gewesen.

Erstes Murren ist von dem sonst so gesitteten Publikum zu vernehmen. Sollte es sich etwa um einen Experimentalfilm handeln, wird hier das Publikumsverhalten getestet? „Europa nach dem Atomschlag“, raunt meine

Nachbarin mir zu. Jetzt versucht sich auch die Dame vom Emfang erfolglos mit dem technischen Gerät.

„Der Recorder wird zum Fachmann gefahren“, verspricht sie. Die ältere Dame mit der Tasche auf den Knien: „Waren Sie auch auch in Kassel?“ (Kassel'Kassel?) „Auf der Dokumenta, da waren ja viel so moderene Sachen“. Besonders Der vom Blitzschlag getroffene Hirsch hatte es ihr angetan, „von dem hat man gar nichts gesehen“. Der Film fiel aus. Blieb also nichts, als sich die Ausstellung anzusehen, viel Weib, viel Stier. Dicke, dünne, eine, viele Europas auf Stieren, Kühen, Bullen, Bisons.

Kerstin Dreyer