Jackson untergebuttert

■ Am zweiten Tag des Demokratischen Parteitages in Atlanta mußte Jesse Jackson deutliche Niederlagen bei der Programmdiskussion einstecken

Berlin (wps/taz) - „Tritt dem Duke in den Hintern, kriech ihm nicht hinein!“ Mit solchen und ähnlichen Sprüchen protestierte Dienstag abend die Schar derer, die mit dem Friedenschluß zwischen dem demokratischen Präsidentschaftsanwärter Michael Dukakis und seinem Herausforderer Jesse Jackson unzufrieden sind. Nachdem der schwarze Prediger schon vergangene Woche von Dukakis durch die Wahl des Parteirechten Senators Bentson zum Vizekandidaten brüskiert worden war, erlitt er am zweiten Tag des Demokratischen Parteitags in Atlanta weitere Niederlagen. Bei der Programmdiskussion wurden mit jeweils großer Mehrheit zwei zentrale Forderungen Jacksons abgeschmettert: die Erhöhung der Einkommenssteuer für Besserverdienende und Unternehmen sowie der Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen. Ein Vorschlag für einen eigenständigen Palästinenser-Staat wurde zwar debattiert, aber nicht zur Abstimmung gestellt. Die Forderung, die Militärausgaben einzufrieren, zog Jackson zurück.

Anhänger der Palästina-Resolution bezeichnten es als Erfolg, daß ein Parteitag der Demokraten zum ersten Mal dieses „heiße Eisen“ angepackt habe. Der Abstimmung über das ungewöhnlich kurze Parteiprogramm der Demokraten war ein längere Debatte der beiden Kandidaten vorausgegangen. Dukakis machte als Gegenleistung zu der voraussehbaren Ablehnung der wichtigsten Jackson-Forderungen einige unbedeutende Zugeständnisse. Insgesamt hat das Wahlprogramm sowieso nur symbolische Bedeutung, da es für den Präsidenten nicht bindend ist. Trotz der Abfuhr rief Jackson unter tosendem Beifall zur Einheit der Partei auf: „Wenn wir nicht zusammenkommen, können wir nicht gewinnen.“ Immerhin verabschiedeten die Delegierten die Forderungen, daß unter einem demokratischen Präsidenten die konventionellen Streitkräfte in Europa gleichgewichtig verringert, chemische und Weltraumwaffen verboten und sämtliche Kernwaffenversuche eingestellt werden. Für Mittelamerika unterstützt das Parteiprogramm den Arias-Friedensplan, Südafrika soll zu einem „terroristischen Staat“ erklärt werden, gegen dessen „Wirtschaft umfassende Sanktionen verhängt werden müssen“. Gegenüber der Sowjetunion wollen die Delegierten die „vielleicht größte Chance zu unseren Lebzeiten für die Schaffung eines neuen, beiderseits nützlichen Verhältnisses“ nutzen. Fortsetzung auf Seite 2

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Die Demokraten wollen „mehr amerikanische Güter und weniger amerikanische Arbeitsplätze exportieren“. „Wir glauben“, so heißt es in dem Programm weiter, „daß wir unsere Wettbewerbsfähigkeit in der Weltwirtschaft verbessern können und müssen, indem wir unsere besten geistigen Kräfte nutzen, um mit einem stärkeren Engagement in der zivilen Forschung und Entwicklung, in der technischen und mathematischen Ausbildung und mehr öffentlich-privater sowie industriell -gewerkschaftlicher Zusammenarbeit die höchstentwickelte Technik der Welt zu schaffen.“

In dem aus allen Nähten platzenden Omni-Collosseum stimmte vor Jackson der demokratische Senator Edward Kennedy die Delegierten auf den Wahlkampf ein: „Wo war George?“ Der republikanische Präsidentschaftsbewerber sei „der Mann, der nie da war“, meinte Kenndey.

Wo sei er beispielsweise gewesen, als der Iran-Contra-Deal ausgeheckt wurde, wo war er, als Noriegas Verstrickung in Drogengeschäfte bekannt wurde?

Mit anfeuernden Worten lobte der Jüngste der Kennedy-Brüder den demokratischen Kandidaten Dukakis.

Ganz im Sinne der Ausgewogenheit unterstützte er aber auch verschiedene Ideen des schwarzen Pastors Jesse Jackson.

Kennedy erinnerte am Schluß seiner Rede an seinen Bruder Robert und den Pfarrer Martin Luther King, die beide 1968 ermordert wurden. Wenn sie in Atlanta wären, so „Ted“ Kennedy, würden sie sagen: „Wir träumen von Dingen, die noch nie dagewesen sind und sagen: Warum nicht? Der Moment ist jetzt da.“