Durchgang verstopft

■ Durchgangslager für Asylbewerber, Aus- und Umsiedler völlig überfüllt / Unterkünfte und Betreuungspersonal fehlen / Bezirke mit Notlage alleingelassen

Um die 200 Umsiedler aus der DDR, Aussiedler aus Polen und Asylbewerber aus aller Herren Länder kommen derzeit täglich neu in die Stadt. Die Heime sind völlig überfüllt, einzelne Bezirke haben bereits Turnhallen geöffnet. Für die bezirklichen Sozialämter seien die Probleme nicht mehr zu bewältigen. Das machte gestern Spandaus Sozialstadträtin Renate Mende stellvertretend für die sechs SPD-StadträtInnen deutlich.

Allein im ersten Halbjahr 88 kamen mehr als 10.000 nach Berlin. (1987 waren es 4.240) Dabei handelt es sich hauptsächlich um Aussiedler und Umsiedler. Der Senat habe das vorausgesehen und den Bezirken entsprechend höhere Aufnahmequoten zugewiesen, sagte Renate Mende. Mit den Folgeproblemen aber stünden die Bezirke jetzt allein da. Überall fehle es an genügend geschultem Personal. Das trage dazu bei, daß die Aufenthaltsdauer der Menschen in den Heimen viel zu lang sei. Maximal sechs Monate seien vorgesehen, tatsächlich aber verbrächten Polen bis zu acht Monate in den Lagern. Die DDR-Umsiedler, die keine Sprachprobleme hätten, seien knapp fünf Monate in den Übergangsheimen. Die Unterbringung sei das drängendste Problem sagte Mende. Mit 1.000 Menschen zum Beispiel sei das Heim in der Spandauer Streitstraße doppelt so hoch belegt, als für Notsituationen vorgesehen. Schöneberg und Wedding hätten inzwischen Turnhallen belegt, Steglitz eine Schule. Abhilfe könne im Moment nur der Senat schaffen, indem er Fertigunterkünfte zur Verfügung stelle. Weil die Polen und DDR-Umsiedler und Aussiedler häufig in Berlin bleiben wollten, suchten sie auf dem ohnehin angespannten Wohnungsmarkt eine Unterkunft. Das sei trotz Wohnberechtigungsschein mit Dringlichkeit fast aussichtslos, beschrieb Renate Mende die Situation, nicht nur für den Bezirk Spandau. Bereits vor einigen Monaten hat der Rat der Bürgermeister ein Wohnungsprogramm speziell für die Aus- und Umsiedler gefordert. Die Polen und auch die DDR-Umsiedler hätten große Schwierigkeiten, Fortsetzung auf Seite 16

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sich mit der Bürokratie zurechtzufinden. Sie seien es oft nicht gewohnt, selbständig die langen Wege durch die Ämter finden zu müssen, berichtete die Spandauer Stadträtin aus Erfahrung. SozialarbeiterInnen, die „Hilfe zur Selbsthilfe“ anbieten, seien nötig.

Da nütze es auch nichts, wenn der Regierende Bürgermeister das Problem inzwischen zur „Chefsache“ erklärt habe. Die „Chefs“ nämlich, Diepgen und Gesundheitssenator Fink, seien im Urlaub. Für Staatssekretär Hasinger ist die Kritik der Stadträtin ein „Sommerlochthema“. Das Aussiedlerproblem sei ein wichtiger Punkt auf der nächsten Senatssitzung am 2. August.

bf