Wie kommt Holzmann zur Mafia

„Ehrenwerte Gesellschaft“ kontrolliert sizilianische Bauindustrie / Erstmals Auftragsvergabe an ein nicht von der Mafia kontrolliertes Unternehmen / Boss der Bosse bemüht sich um neues Image / Holzmann-AG verschafft Mafia-Clan wieder Legitimität  ■  Aus Corleone Werner Raith

Noch zieren sich die Manager der Frankfurter Philipp Holzmann AG - „wir haben noch keinerlei Bestätigung“, die Nachrichtenagentur dpa habe da eine Meldung von 'La Republica‘ „etwas voreilig übernommen, und ansonsten sei „das doch alles gar nicht so aufregend“: Ein stinknormaler Vorgang sozusagen, Alltagsgeschäft für den Bau-Riesen: 114 Millionen Mark gibt es zu verdienen mit dem Bau eines Staudammes, und alles noch dazu in staatlichem Auftrag.

Das Besondere daran ist nur, daß der Staudamm nahe einem Städtchen gebaut wird, das in Sizilien liegt - und das geradezu als Symbol für die Mafiosität des Nordwestens der Insel gilt: Corleone, 12.000 Einwohner, Heimatstadt des lebenslänglich einsitzenden, aber immer noch alles bestimmenden Luciano Liggio und des blutrünstigsten aller Mafia-Clans, der seit dem Beginn der 80er Jahre den gesamten europäischen und etwa ein Drittel des Welt-Dorgenhandels kontrolliert.

Just hier, wo außer verbündeten Firmen aus Catania noch nie ein auswärtiges, geschweige denn ausländisches Unternehmen bei einem Bauauftrag zum Zuge kam, soll nun eine der italienischen Holzmann-Töchter groß einsteigen: gegen drei inländische Bewerber (darunter die Fiat-Firma Fiatimpresit und die sonst stets siegreiche Italcanieri) erhielt Holzmann den Zuschlag - und seither rätselt ganz Italien, was denn in die zugeknöpften Leute aus dem Süden Palermos gefahren ist, daß sie sich auf eine solche Affäre einlassen.

Sicher, die für die Vergabe zuständige ESA (Ente di sviluppo agricolo siciliano) ist mit Leuten aus ganz Sizilien und Beamten aus dem Ministerium für den Mezzogiorno besetzt - doch auch dieses Gremium hat bisher nie gewagt, Aufträge außerhalb des Rahmens zu vergeben, den die „Ehrenwerte Gesellschaft“ der jeweiligen Zone als ratsam angegeben hatte: Lediglich in Palermo hat der antimafiose Bürgermeister Leoluca Orlando schon einigemal Unternehmen aus dem festländischen Italien gegen sizilianische Firmen durchgesetzt.

Erste Deutungsversion: die Holzmänner haben sich bereits vor ihrer Bewerbung nach bewährtem sizilianischem Muster mit den Ortsgewaltigen in Corleone geeinigt, was im Klartext heißt: Vergabe von zahlreichen Unter-Aufträgen an Subunternehmer am Ort, Beschäftigung ausschließlich der Arbeiter, die ihnen von den Bossen empfohel werden - und Bezahlung eines kräftigen Schutzgeldes, damit nächtens weder Kräne umstürzen noch hochgezogene Mauern zusammenfallen, noch der Nachschub stockt oder die Arbeiter ausbleiben.

Eine andere Deutung läuft darauf hinaus, daß die Lokalherrscher absichtlich einmal ein bekanntes internationales Unternehmen an eine so delikate Aufgabe heranlassen wollen - um den Damm hernach als brüchig zu präsentieren und so für die Zukunft solche von antimafiosen Politikern und der Öffentlichkeit geforderten Fremdgänge zu vermeiden.

Die dritte Version klingt auf den ersten Eindruck am harmlosesten, könnte sich aber langfristig als die gefährlichste von allen erweisen (und sie ist die wahrscheinlichste von allen): Luciano Liggio, 65, alternder Boss der Bosse, sucht bereits seit dem Desaster des Maxi -Prozesses (wo nahezu alle seine Statthalter, wenngleich zum Teil noch flüchtig, zu lebenslänglich verdonnert wurden), seiner Mafia ein neues Image zu verleihen.

So hat er z.B. im Januar eine Ausstellung seiner im Gefängnis gemalten Naiv-Bilder veranstaltet und die eingenommene umgerechnet knappe halbe Million Mark für den Bau eines Dialyse-Zentrums in Corleone gestiftet.

Derzeit läßt er auf seine Kosten auch ein Denkmal für die Opfer von Arbeitsunfällen fertigstellen - gut möglich, daß die Gangster-GmbH gerade durch die Garantie eines ungestörten Baus mit auswärtigen Firmen aller Welt beweisen wollen, daß all die Geschichten von Preßgeldern und Druck auf die Unternehmer reine Märchen sind. Gelingt diese Image -Politur, könnte die durch ihre seit Jahren steigende Mordquote, aber auch durch Massenverhaftungen und definitive Verurteilungen geschwächte Mafia endlich wieder darauf hoffen, sich als „ehrenwert“ zu zeigen - und damit die notwendige Neurekrutierung von Mitgliedern beginnen.

Holzmann wäre dann das erste in einer Reihe instrumentalisierter Unternehmen, die, ohne mafios zu sein, der Mafia einen großen Dienst erweisen, indem sie ihr Erlebnis einer „angstfreien Betätigung im Mafiagebiet“ in alle Welt tragen.