Freiheit für Polens Verweigerer

Polnische Kriegsdienstverweigerer der Gruppe „Freiheit und Frieden“ und der Zeugen Jehovas sollen aus der Haft entlassen werden / Sie können Ersatzdienst antreten / Pazifist Dutkiewicz bleibt im Knast  ■  Von Roland Hofwiler

Berlin (taz) - Freude in Warschau: Acht Mitglieder der oppositionellen „Freiheit und Frieden„-Bewegung wurden gestern aus der Haft entlassen. Ein Militärgericht erkannte ihre moralischen Einwände, den Wehrdienst zu verweigern, als gerechtfertigt an. Es ist dies das erste Mal, daß in einem real-sozialistischen Land bereits verurteilte Pazifisten freigesprochen werden und ihnen die Möglichkeit geboten wird, einen zivilen Ersatzdienst abzuleisten. Der Zivieldienst dauert allerdings nach dem am 1.September in Kraft tretenden Gesetz ein Jahr länger als der Militärdienst.

Wie die offizielle polnische Nachrichtenagentur meldet, werde man in den nächsten Tagen weitere 88 Waffengegner aus den Gefängnissen entlassen. Die Mehrzahl gehöre der Sekte Zeugen Jehovas an.

Auf telefonische Anfrage fiel es einem Sprecher von „Freiheit und Frieden“ nicht leicht, eine Einschätzung zu geben, ob in Zukunft weiterhin Mitglieder der Gruppe aufgrund ihrer Überzeugung inhaftiert werden würden. Noch wisse man nicht, wie das neue Gesetz in der Praxis gehandhabt werde. Offiziell kann nun jeder Wehrpflichtige aus „religiösen und moralischen“ Gründen den Waffendienst ablehnen, doch wie weit dieser Rahmen gesteckt werde, sei noch nicht abzusehen erklärte der Sprecher. Sicher sei bereits, daß Stanislaw Dutkiewicz nicht freikomme. Dutkiewicz lehnt aus „politisch-moralischen“ Gründen den Militärdienst ab. Seinetwegen organisierten mehrmals Pazifisten und Oppositionelle kollektive Hungerstreiks in allen Teilen Polens. Die amtliche polnische Nachrichtenagentur PAP meldete am Mittwoch, Dutkiewicz werde nicht begnadigt, weil er auch den Ersatzdienst abgelehnt habe. Er verbüßt eine Gefängnisstrafe von 27 Monaten.

Nach polnischen Pazifisten ist es nur der breiten Unterstützung in der Bevölkerung zu verdanken, daß Warschau zum Vorreiter in Sachen Zivildienst wurde. Nach Jaruzelskis Militärputsch im Dezember 1981 sei der letzte Glaube an die polnische Verteidigungsarmee verloren gegangen.

Bisher machte man sich nur in Ungarn Gedanken, einen Wehrersatzdienst einzuführen. Vor einem Monat wurde dort erstmals die Zahl Verweigerern offiziell mitgeteilt. In anderen Ländern Osteuropas wird das Thema nicht diskutiert. Vor wenigen Tagen wurde gar im jugoslawischen Sarajevo ein Rekrut zu einem Jahr Haft verurteilt, weil er außerhalb der Kaserne mit Soldaten über die Notwendigkeit eines Zivildienstes sprach.