Revolutions-Nachbeben erschüttert Offenburg

Die Anatomie der Faust eines Hrdlicka-Denkmals der 48er Revolution ruft schwarze Contras in den Ring: Keine geballte Faust vor dem Rathaus / FDP beschwichtigt: Vielleicht kann der Künstler das kämpferische Händchen etwas öffnen  ■  Von Thomas Scheuer

Offenburg (taz) - 100 Jahre liegen sie nun schon zurück, die revolutionären Getümmel anno 1848 im Badischen, und zeitigen noch immer heftige Nachwehen: Im Stadtrat der südbadischen Kreisstadt Offenburg ist jetzt um die überfällige Ehrung der Revoluzzer von anno dazumal ein verspäteter Faust-Kampf entbrannt. Nicht daß die Honoratioren etwa handgreiflich würden oder gar wie in Heckers guten alten Zeiten mit Dreschflegeln und Sensen einander zusetzten. Nein, heute ist der Streit ideologischer, schlimmer noch: symbolischer Natur! Zu allem Übel geht es auch noch um ein Kunstwerk.

Die Gemüter erregt eine Skulptur zur Erinnerung an die Aufrührer der 48er-Revolution. An sich keine neue Idee: Schon 1960 wollte das Stadtparlament, damals unter CDU -Mehrheit, einen „Revolutionsbrunnen“ im Städtle plätschern lassen. Doch das symbolische Wasserspiel versickerte in den Amtsstuben. Die Sozis wagten einen neuen Anlauf: Nach 100 Jahren sei es endlich an der Zeit für ein gescheites Denkmal an die 48er-Kämpen. Lokalpolitischer Konsens breitete sich aus. Doch dann schlugen plötzlich die Christdemokraten mit der Faust auf den Ratstisch - wegen einer Faust. Der Stein des Anstoßes ist ein rund zwei Meter hoher Sockel aus Granit, darauf aus rotem (!) Sandstein eine geballte Faust, das Symbol der Revolution!

Den Faustschlag in den Solarplexus christdemokratischer Empfindsamkeit hatte der 60jährige Wiener Bildhauer Alfred Hrdlicka plaziert. Der ist betroffene Aufschreie gewohnt: Ein tonnenschweres „Denkmal gegen den Krieg“ des erklärten Waldheim-Gegners sorgt in Wien für erregte Standortdebatten; in Hamburg werden Mißtöne um sein noch unvollendetes Anti -Faschismus-Denkmal laut; und Kiels Stadtoberhäupter wehrten vor Jahren ein Mahnmal des Wieners ab, das an den Matrosenaufstand von 1918 erinnern sollte. Jetzt rief seine geballte Faust in der südbadischen Provinz die schwarzen Contras in den Ring.

Ein Symbol der Gewalt erblicken die CDU-Matadoren in dem Monument. Es sei, so eine CDU-Stadträtin, „nicht das richtige Denkmal vor einem Rathaus, vor Rechts- und Ordnungsamt.“ Daß Friedrich Hecker und Konsorten einst nicht etwa mit erigiertem Mittelfinger durch Badens Gassen stürmten, wissen auch die Faustgegner. Aber die Offenburger Versammlungen in den Jahren von 1847-49, so ihr Argument, seien allesamt gewaltfrei verlaufen. Trotzdem, so kontert SPD-Oberbürgermeister Martin Grüber die Anwürfe, war das damals „ja ein Kampf, der nicht umzudeuten ist in einen harmlosen Spaziergang“. Die wilden 40er des letzten Jahrhunderts, so ergänzt er, seien der einzige historische Moment gewesen, an dem der verschlafenen Kleinstadt nationale Bedeutung zukam: Die revolutionären Forderungen der Offenburger Versammlungen hätten nachgewirkt bis in die Verfassung von Weimar und das Grundgesetz. Die geballte Faust sei nun einmal Sinnbild für Protest, Aufbegehren und Unzufriedenheit, das Symbol der Revolution eben, seit der französischen.

Wohl wahr, aber eben auch der sozialistischen, mosern die Schwarzen: Die geballte Faust sei der Gruß der Kommunisten, mithin schnödes Symbol für Terror und Gewaltherrschaft. Aber Hrdlickas Faust, so entgegnen die Softies der Faust-Gemeinde aus SPD, FDP und Grünen wiederum, sei doch auch ein Spältchen geöffnet, enthalte also auch ein Zeichen der Versöhnung. Aber nicht weit genug geöffnet, mäkeln die Contras, „da paßt höchstens eine rote Fahne rein.“ Hrdlicka könne sie ja noch ein bißchen mehr öffnen, schlagen Kompromißler aus der FDP vor, oder gar in eine Schwurhand mutieren.

In der Sitzung des Verwaltungsausschusses Anfang dieser Woche verhinderte eine CDU-Sperrminorität vorerst die offizielle Auftragsvergabe. Damit gerät der Zeitplan in Gefahr; denn der Wiener wollte die Semesterferien für seine Faust-Arbeit mit Hammer und Meißel nutzen, damit die Revolutionsskulptur wie ursprünglich vorgesehen am 23. Mai nächsten Jahres enthüllt werden kann - zum 40.Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes. „Mein Angebot an die Offenburger bleibt weiter bestehen,“ läßt der konfliktgewohnte Plastiker dennoch aus Wien hören. Doch nach der Sommerpause heißt es jetzt erst mal im Gesamtstadtrat: Ring frei zur nächsten Runde. Derweil paßt eine Meldung aus Stuttgart wie die Faust aufs Auge: Auf der Mailänder Triennale für Stadtgestaltung will die baden -württembergische CDU-Landesregierung als Beispiel für die gelungene Einbeziehung historischer Ereignisse ins moderne Stadtbild einen Entwurf aus Südbaden präsentieren ... erraten!!