Der Herr als Sklave des Dieners

■ „Der Diener“ von Joseph Losey, 1963 nach dem Drehbuch von Pinter gedreht, ist einer der guten britischen Filme nichtbritischer Regisseure und ab Sonntag in der Schauburg

Für McCarthys Saubermänner, die den amerikanischen Regisseur Joseph Losey zu Beginn der fünfziger Jahre auf Hollywoods schwarze Liste gesetzt hatten, mußte sein 1963 in Großbritannien gedrehter Film „The Servant“ wie eine Bestätigung ihrer damaligen Einschätzung gewirkt haben.

Solch eine böse, unrespektierliche Studie über Diener und Herren, in der alle Klassenschranken durchbrochen werden und am Ende der Begüterte vom Bediensteten versklavt wird, wäre in ihren Hollywood-Studios nie gedreht worden.

Aber im England der frühen sechziger Jahre konnte man innovative, freche Filme realisieren - genauso wie in der jetzigen fruchtbaren Phase des britischen Kinos - nur machten damals Nicht-Briten die allerbesten britischen Filme.

Neben Losey etwa Richard Lester und Stanley Kubrik aus Amerika. „Der Diener“ gehört in eine Reihe mit Polanskis „Ekel“ und „Blow Up“ von Antonioni: Aushängeschilder des damaligen neuen britischen Kinos - alle gedreht von Ausländern.

Losey arbeitete in „Der Diener“ das erste Mal mit dem Autor Harold Pinter und Schauspieler Dirk Bogarde zusammen. Bogarde ist der Diener Barrett, der vom verwöhnten und labilen Tony angestellt wird, und ihm servil jeden Wunsch von den Augen abliest. Bald kann der junge Reiche nicht mehr ohne seinen Diener leben, und nun wird die

Fassade des upper-class Gentleman systematisch demontiert.

Während Tony sich immer mehr von seiner Verlobten Susan entfremdet, bringt Barrett Vera ins Haus, die er als seine Schwester vorstellt, und die bald Tonys Geliebte wird. Durch sie macht er seinen Herrn damit noch abhängiger. Tony schmeißt zwar beide aus dem Haus, nachdem er entdeckt, daß Vera Barretts Braut ist, aber er ist allein schon gar nicht mehr lebensfähig. Also stellt er Barrett wieder ein, und nun übernimmt der Diener immer eindeutiger das Kommando.

Er spielt mit seinem Herrn, ist mal die mit dem hilflosem Gatten zeternde Ehefrau , mal Kasernenkumpel, mal Tyrann auf dem Schulhof für sein zitterndes Opfer. Beide werden kindlich und dekadent, am Ende liegt Tony nach einer Orgie wimmernd auf dem Boden.

Losey, Pinter und Bogarde ergänzten sich brilliant : Loseys Kamera, mit ungewöhnlichen, verunsichernden Einstellungen, die immer in Bewegung bleibt und im Haus umherzuschleichen scheint, schafft eine Athmosphäre der zunehmenden Bedrohung. Hier sieht man, wo etwa David Mamet seine Einfälle für „Das Haus der Spiele“ her hat.

Durch Pinters bizarre Sicht der bürgerlichen Gesellschaft und sein feines Gefühl für die Nuancen der Sprache ist „Der Diener“ boshaft, komisch und treffend. Wer etwas länger in England gelebt hat, erkennt hinter den dargestellten Extremen vieles, das sich

in den letzten 25 Jahren kaum verändert hat.

Ohne Dirk Bogarde als der sinistre, immer zweideutige Diener aber wäre der Film vielleicht eine kühle, kopflastige Parabel geworden. Aber schon in den ersten Szenen spürt man die Boshaftigkeit hinter seiner Servilität, in einem Augenflackern, dem winzigen Ansatz eines höhnischen Lächelns, oder der ironischen Wendung eines Satzes. In einer kurzen Einstellung sitzt er alleine in der Küche, legt seine Handschuhe beiseite und raucht eine Zigarette. Ohne Worte vermittelt er hier schön lakonisch das ganze Übermass seines Hasses und seiner Verachtung. In solchen Szenen hat der Film eine beklemmende Intensität - einen bösen Charme, durch den er sehr viel schauriger wirkt als jeder Horrorfilm.

„Der Diener“ und zwei weitere Filme mit Harold Pinter und Dirk Bogarde („King and Country“ und „Accident“) waren die Höhepunkte in Loseys Karriere. Bogarde spielte später zunehmend selber die Gentlemen, etwa in Viscontis „Tod in Venedig“ und sogar bei Fassbinder in „Desire“. Harold Pinter entwickelte sich zum wichtigsten britischen Drehbuchauthoren, und mit eigenen Stücken wie „Betrug“ oder Bearbeitungen wie „Ozeanische Gefühle“ gehört er jetzt noch einmal zu den Machern des neuen britischen Films.

Wilfried Hippen

„Der Diener“ (GB, 1963) spielt von Sonntag bis Mittwoch um 23.00 Uhr in der Schauburg