Ein ganz normales Haus

■ Morgen jährt sich zum vierten Mal die Räumung des Kunst- und Kultur-Centrums Kreuzberg

Der „KucKuCK“ war in Berlin das vorletzte besetzte Haus, welches vom CDU-/FDP-Senat im Jahr 1984 geräumt wurde. Die weit über Berlin hinaus bekannte Fassadenmalerei wurde trotz vieler Proteste übermalt, die Erinnerung getilgt. Nur die rachsüchtige und - scheinbar ansonsten - arbeitslose Staatsanwaltschaft schleppte die Prozesse gegen ehemalige HausbesetzerInnen bis ins Jahr 1988. Insgesamt gab es über 400 Prozesse gegen HausbesetzerInnen. Nur eine Frau konnte sich wirkungsvoll durch alle Instanzen verteidigen - sie wurde freigesprochen, weil der frühere Eigentümer, Wesenburg, keinen wirksamen Strafantrag gestellt hatte.

Wenige Meter von der Ruine des Anhalter Bahnhofs strebt die dezent verzierte Außenfassade des 1912 als Gewerbe- und Bürokomplex erbauten Hauses in der Anhalter Straße 7 gegen den Himmel. Zwei Schaufenster, links und rechts, darüber in Leuchtreklameschrift „SB-Matratzen und Betten“ umrahmen den Eingang zu den zwei dahinter liegenden Innenhöfen. Dunkel, rostbraun fließt die Fassadenfarbe über den Westgipfel des Vorderhauses entlang dem ersten Seitenflügel und ergießt sich dann als „kackbraun“ abwechselnd gestreift in Umbra und einem schmuddeligem Ocker, das als Schmuckleiste über die dreiflügeligen Fenster gezogen ist, über den letzten Hinterhof.

Unversehrt überstand das Haus den Zweiten Weltkrieg mit direktem Blickkontakt zum wiederaufgeforsteten ehemaligen Gestapo-Gelände, nicht weit vom Musentempel Gropius-Bau. Großzügig geschnitten, 150 bis 200 Quadratmeter groß sind die 25 Wohnungen und Ateliers zum sozialen Wohnungsbautarif

-4,20 DM kalt der m2. Rund 80 Leute wohnen hier, meist sind es Wohngemeinschaften, und nur ein Atelier wird auch als solches genutzt. „Kontakte zu den Nachbarn?“ - „Nein!“ „Ein Hallo auf dem Hof!“ - „Ja, nein, mehr ist da nicht drin“, meint eine der Bewohnerinnen aus dem Seitenflügel. Heute ein ganz normales Mietshaus, ist die Anhalter Straße Nr.7als „KuKuCK“ in die Annalen der Berliner Hausbesetzergeschichte eingegangen. Der „KuKuCK“ ist nicht nur Sinnbild für ein alternatives Kulturzentrum, das mit der Devise „Leben und Arbeiten als Einheit“ antrat, zehn freie Theatergruppen und Musiker beherbergte, ein Kommunales Kino, eine Bibliothek, ein Cafe, eine Galerie, ein „Sleep In“ und vieles mehr unterhielt. Am Sonntag jährt sich zum vierten Mal die Räumung des „KuKuCK“ in der Anhalter Straße 7. Anfangs geliebt-geduldetes Kind des Kultursenators Hassemer und geduldet vom ehemaligen Besitzer Wesenburg, stellt der damalige Innensenator Lummer Anfang '84 die Devise auf, daß bis Ende '84 kein besetztes Haus mehr in Berlin existiert. Das Ende rückte näher, als Wesenburg durch die Hypothekenlast gezwungen wird, das Haus an die Klingbeil -Gruppe zu verkaufen. Die wollte Atelier-Wohnungen schaffen. Auch änderte ein rechtlicher Einspruch des Bezirksamtes nichts mehr. Da half auch keine 10.000-Mark-Spende mehr von Marius Müller-Westernhagen, die gegenüber der Summe von 5 Millionen DM an freigegebenen Modernisierungsgeldern wie ein Tropfen auf dem heißen Stein anmutete. Auch ein ausgearbeitetes IBA-Nutzungskonzept, die das Haus für 1,8 Millionen wieder renovieren wollte, fiel auf keinen fruchtbaren Boden.

Eine anhaltende Hetzkampagne aus dem Hause Springer, in der der „KuKuCK“ als „Terroristenzentrale“ und „Hausbesetzernest“ diffamiert wurde, bereitete die Räumung auf seine Weise vor. Eine Durchsuchung folgte der nächsten. Wieder und wieder bediente sich die Staatsanwaltschaft lässig des Paragraphen 129a gegen die ungefähr 50 BesetzerInnen. Am 24. Juli 1984 wurde der „KuKuCK nach den Richtlinien der „Berliner Linie“, die fast nicht zu erfüllen war, geräumt. Daß die Räumungskriterien der „Berliner Linie“ überhaupt nicht vorlagen, weil ein genehmigter Bauantrag fehlte, blieb ohne Belang. „Das öffentliche Interesse kann sich nicht gegen privates Verwertungsinteresse durchsetzen“, bedauerte damals Baustadtrat Orlowsky.

Andrea Röder