Die Intifada läßt nicht locker

Vor den Feierlichkeiten zum muslimischen Opferfest wurden die israelischen Sicherheitskräfte in Alarmbereitschaft versetzt / Auch die Juden begehen eine religiöse Feier / Straßenschlachten in Jerusalem weiten sich auf christliches Viertel aus  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die Intifada und die gegen sie gerichteten israelischen Unterdrückungsmaßnahmen erreichen einen neuen Höhepunkt. Mehrere Faktoren bestimmen die heftigen Zusammenstöße zwischen der palästinensischen Bevölkerung und den israelischen Besatzern in den letzten Tagen. Um die Feierlichkeiten zum muslimischen Opferfest (id al-adha) am Sonntag kontrollieren zu können, sind die Sicherheitskräfte massiv verstärkt worden. Das Fest fällt in diesem Jahr zusammen mit dem jüdischen „Tisha be-Av„-Fest, an dem religiöse Juden die Zerstörung des Tempels betrauern. Beide Anläße stimulieren die nationalen Gefühle sowohl der Juden wie der Araber, die um die Kontrolle über den Haram al -Sharif, den „Tempelberg“, konkurrieren. Dieser alte Streit flammte erst kürzlich wieder auf, als das israelische Religionsministerium einen antiken Tunnel unter dem Zentralberg von Alt-Jerusalem ausgraben ließ. Der Mufti von Jerusalem, Sheikh el-Alami, glaubt wie viele Palästinenser, daß dieses Tunnel-Projekt den „Einstieg“ in die Umsetzung einesn alten zionistischen Planes darstellt, den „Dritten Tempel“ anstelle der al-Aqsa Moschee zu errichten. Beide Seiten begreifen die Auseinandersetzungen um den Tunnel als Instrument des Kampfes in der Frage, in wessen Hände eigentlich die Altstadt und ganz Ost-Jerusalem gehören. Insofern begrenzt sich dieser Konflikt keineswegs auf religiöse Aspekte: Die nationale Frage Israel versus Palästina und damit auch die Intifada stehen im Mittelpunkt.

In den letzten Tagen weiteten sich die Straßenschlachten auf die Altstadt aus und betrafen vor allem das christliche Viertel. Hintergrund dieser zusätzlichen Spannungen ist die kürzliche Schließung vieler Schulen durch die Besatzungsbehörden, nachdem der Unterricht erst vor wenigen Tagen wieder aufgenommen worden war. Das 22.Flugblatt der „Vereinigten Führung des Aufstands“ ruft die Palästinenser zum Widerstand gegen das Tunnel-Projekt auf und kündigt für den 29.Juli und den 1.und 2.August Generalstreiks zur Solidarität mit der palästinensischen Frauenbewegung an. An diesem Wochenende werden jedoch alle palästinensischen Geschäfte für Einkäufe für das Opferfest geöffnet sein, an dem die Gefallenen des Aufstands betrauert und für die Befreiung demonstriert werden soll.

Den israelischen Behörden fällt es zusehends schwerer, sich überhaupt noch als „Zivilverwaltung“ in den besetzten Gebieten zu behaupten. Wie beim Beispiel der „Auto-Steuer“ im Gazastreifen, wo Palästinenser nur dann die neuen und einzig gültigen Kfz-Kennzeichen erhalten, wenn sie alle Steuern bezahlt haben, gelingt es israelischen Beamten nur unter Begleitung schwerbewaffneter Armee-Einheiten, in das Gebiet einzudringen. Oft versuchen sie auch, sich als Journalisten auszugeben oder spielen Araber. Trotz aller Beschwörungen seitens einer Handvoll rechter Fanatiker hat sich die zionistische Hoffnung auf die Kolonisierung der 1967 besetzten Gebiete offenbar endgültig zerschlagen. Die damalige Grenze ist seit langem aus den israelischen Schulbüchern verschwunden.