piwik no script img

Arzt darf nie wieder Süchtige behandeln

Der Arzt und Psychiater Johannes Kapuste hat drogensüchtigen Patienten Methadon verschrieben / Münchner Landgericht hält den Beschuldigten für nicht anpassungswillig  ■  Aus München Susanne Petz

Ein lebenslanges Berufsverbot, soweit es sich um die Behandlung Drogenabhängiger Patienten handelt, verhängte das Landgericht München I am Donnerstag über den Arzt und Psychiater Johannes Kapuste (55), weil es bei dessen Behandlung Drogensüchtiger mit Methadon den Tatbestand der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln erfüllt sah. Dem Arzt wird vorgeworfen, daß er seinen Patienten die Ersatzdroge Methadon nach Hause mitgegeben hat, damit sie auch dort eingenommen werden kann.

Die medikamentengestützte Rehabilitierung Drogenabhängiger mit Methadon gehört außer in der Bundesrepublik und in Norwegen in allen westlichen Industrieländern zum staatlichen Therapieangeot. In der Bundesrepublik ist die Ersatzdroge, die, ohne das Euphoriegefühl des Heroins zu erzeugen, die körperlichen Entzugserscheinungen mildert, umstritten. In der Ärzteschaft ist die Behandlung mit Methadon (unter dem Namen Polamidon auf dem Mark) weithin verpönt. Nordrhein-Westfalen war das erste Bundesland, das seit Anfang des Jahres 1988 mit 75 ausstiegswilligen Fixern einen eher kläglichen Methadon-Versuch wagt. Inzwischen ist auch in Hamburg die Therapie mit der Ersatzdroge möglich. Im Ausland hat sich die Behandlung mit dem künstlichen Opiat als zusätzliches Angebot für Abhängige, die mit den traditionellen drogenfreien Entzugsprogrammen nicht mehr erreicht werden können, bewährt. Den Fixern wird dadurch eine soziale und berufliche (Re-)Integration erleichtert; Beschaffungskriminalität und Prostitution können verhindert werden.

In Bayern hingegen bemüht man sich seit Jahren, die Behandlung mit Methadon zu unterbinden. Johannes Kapuste wurde bereits 1979 wegen ärztlich nicht begründeter Verschreibung von Betäubungsmitteln zu acht Monaten Haft mit Bewährung verurteilt und mit drei Jahren Berufsverbot belegt. Im Januar 1985 konnte der Arzt seine Praxis wieder öffnen. Bis zur erneuten Schließung im Juli '86 behandelte er insgesamt 369 Patienten mit rund 11.000 Dosen Polamidon.

Die Staatsanwaltschaft beschuldigte Kapuste nun nicht nur der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln, sondern auch der fahrlässigen Tötung seines Patienten Klaus B., der am Tag nach der Behandlung mit Methadon einer Vergiftung erlag. Ein Kausalzusammenhang zwischen der Einnahme von Polamidon und dem Tod des Patienten war jedoch nicht nachweisbar. Mit dem lebenslangen, auf die Behandlung Drogensüchtiger beschränkten Berufsverbot ergriff das Münchner Landgericht eine „Maßnahme der Sicherung und Besserung“. Weitergehend konnte der Angeklagte nicht bestraft werden, weil das Gericht ihn für schuldunfähig hält. Es stützt sich dabei auf ein Gutachten des Psychiaters Professor Rainer Luthe, in dem die Steuerungsfähigkeit Kapustes beweifelt wird, weil er unbelehrbar sei und sich an herrschende Auffassungen nicht anpassen könne.

Die von dem Gericht verurteilte Verfahrensweise, den Patienten Methadon auch mit nach Hause zu geben, wird unter anderem in einem Schweizer Modell seit 1975 praktiziert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen