Molke, Müll und Münchehagen

■ Halbzeitbilanz des neuen niedersächsischen Umweltministers Werner Remmers

An den Umweltproblemen hätten alle Bürger ein gerütteltes Maß an Mitschuld, sagt Niedersachsens erster Umweltminister Werner Remmers. „Und ich nehme mich da gar nicht aus.“ Zwei Jahre nach Amtsantritt bleibt ihm nur der Urlaub, um einmal abzuschalten von Standortdebatten für Verbrennungsöfen und Wasserverschmutzung, und nicht reagieren zu müssen in Sachen Molke, Müll und Münchehagen. Und um zu bilanzieren: „Über das Positive unserer Umweltpolitik wird weniger geredet als über die Altlasten“.

Als Kultusminister hatte der redegewandte Katholik aus dem Emsland bereits in den 70er Jahren die Grabenkriege von Befürwortern und Gegnern der Orientierungsstufe ohne größere Blessuren überstanden. Mit der Umweltpolitik bot sich dem Diplomvolkswirt ein neues Arbeitsfeld, auf dem der zuvor zuständige Landwirtschaftsminister Gerhard Glup keine Lorbeeren geerntet hatte.

Manches habe er sich wohl leichter vorgestellt, sagt der 57 Jahre alte Remmers heute. So bedürfe es nach wie vor mühevoller Überzeugungsarbeit, um den übernommenen Behördenapparat von neuen umweltpolitischen Ideen zu überzeugen. Und er sieht die Demokratie „am Rande der Politikfähigkeit.“ Politik dürfe nicht die Summe der Einzelängste sein, Demokratie dürfe das Regieren nicht verhindern. Remmers will künftig schneller entscheiden, auch gegen den Willen betroffener Bürger.

Opposition und Bürgerinitiativen halten zum Beispiel der Abfallpolitik des Ministers entgegen, er bemühe sich zwar um Entsorgungskapazitäten, vernachlässige aber die stets propagierte Verminderung und Vermeidung von Müll. Remmers setzt hier auf Marktmechanismen. Teure Entsorgungspreise sollen auf die Dauer die Abfallproduzenten zum Umdenken zwingen. Und neue Märkte durch Umweltpolitik hält er allen Unternehmen entgegen, die sich bei anderen Kabinettskollegen über zu strenge Umwelt-Richtlinien beschweren.

Per gesetzlicher Andienungspflicht will Remmers dem Giftmüll-Tourismus endlich einen wirksamen Riegel vorschieben. Ein Vorhaben, das vom Kabinett gebilligt wurde und das Remmers in seiner Halbzeitbilanz zu den Erfolgen zählt. Ebenso, daß Volkswagen auf Druck des Umweltministeriums die Beseitigung seiner Lackschlämme überdenken wird. Nach jahrzehnte langer Planung habe man von dem Bau der Siebertalsperre im Harz Abschied genommen und damit ein Signal für eine ökologische Wasserversorgung gesetzt. Das in Niedersachsen gestartete Freiwillige Ökologische Jahr soll demnächst bundesweit übernommen werden.

Über mangelnde Arbeit können sich die 240 MitarbeiterInnen des Umweltministeriums nicht beklagen. Über ein Fünftel der Anfragen und Eingaben im Parlament ging an ihre Adresse. Dabei ist Remmers nicht einmal für den Naturschutz zuständig. Denn dieser Bereich blieb beim Landwirtschaftsministerium. Heute sieht Remmers darin kein Manko mehr. Denn so muß er sich nicht alleine mit den Landwirten herumschlagen, sondern kann seinen Kollegen Burkhard Ritz mit einspannen.

Andreas Möser (dpa)