Ein Bio-Trio für gesündere Nahrung

■ Am „Bremerhavener Institut für Lebensmittel-Technolgie und Bioverfahrenstechnik“ (BILB) entwickeln drei Professoren gesündere Herstellungsmethoden für unser aller Speis‘ und Trank / Teil 5 der montäglichen Bremer taz-HighTech-Serie

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Kaum noch ein Spülmittel, das nicht eine offizielle oder halbwegs offiziell aussehende Umweltplakette trägt, kaum noch ein Supermarkt, in dem es keine biologisch abbaubare Marmelade zu kaufen gibt. Mit sehr vernünftigen und in den letzten Jahren profitabel gewordenen Forschungen beschäftigt sich das BILB in Bremerhaven: Es entwickelt ökologische Verarbeitungs-und Konservierungstechniken für die Lebensmittelindustrie.

Mit dezentraler Erzeugung und Vermarktung hat das nur sehr wenig zu tun. Doch nicht nur der Studiengang Lebensmitteltechnologie an der Hochschule verdankt der Öko -Welle ein sprunghaft gestiegenes Interesse, sondern auch das BILB eine riesige Nachfrage nach Forschungsleistungen für die Nahrungshersteller. Die Abkürzung bedeutet „Bremerhavener Institut für Lebensmittel-Technologie und Bioverfahrenstechnik“, ist Bestandteil des neuen Technologie -Transferzentrums an der Hochschule Bremerhaven und wird von drei Professoren betrieben.

Die haben sich Beeindruckendes vorgenommen. Ulrich Gossling ist Experte für tierische Nahrungsmittel, Klaus Lösche für pflanzliche und Hans-Albert Kurzhals für Lebensmittel -Verfahrenstechnik. In mehreren Bereichen wird systematisch geforscht:

-Durch den Einsatz von natürlichen Enzymen bei der Herstellung der Lebensmittel können chemische Konservierungsstoffe überflüssig gemacht oder der ganze Prozeß sicherer gemacht

werden,

-Natürliche Farbstoffe, die in Mikroorganismen enthalten sind, können reihenweise die synthetischen Zusatzstoffe ersetzen, die sich jetzt noch allenthalben im fast wie im slow food finden

-Durch neue Verfahren können aus biologisch hergestellten Materialien Stoffe schonend herausgelöst oder aber andere gleichfalls biologische - hinzugefügt werden.

Nicht Gentechnologie

noch Monster-Bakterien

Die Räume, in denen die drei ihre Aufträge erledigen, sind eine Mischung von Labor und Versuchsküche. Nichts von Gentechnologie und Monster-Bakterien, aber zuweilen wird Lösche beim Erklären von Apparaturen oder beim Nennen von Auftraggebern schweigsam - die Industrie-Konkurrenz hat, scheint's, zuweilen große Ohren. Zum Patent angemeldet ist aber schon ein Verfahren, das das „Ökotest-Magazin“ gleich als „Revolution im Räucherschrank“ bezeichnete: Für die Bremer Wurstfirma „Könecke“ hatte Goßling ein Verfahren entwickelt, mit dem die Reifung der Salami mit Enzymen biologischer Herkunft gesteuert wird - bislang ersetzten „Starterkulturen“ die von Desinfektionsmitteln zerstörte Bakterien-Flora.

Die Hochdruck-Extraktion ist eine der verwendeten Technologien. Das Verfahren wird in der Kaffee-Industrie schon länger verwendet, um das Koffein aus

dem Pulver zu holen. In Bremerhaven wird CO-2 mit einem Druck von 150 bis 500 Bar durch wirbelndes Pulver geblasen Kaffee HAG wirbt für seine Nervenschoner bereits mit der großtechnischen Anwendung: „mit natürlicher Quellkohlensäure extrahiert.“ Schwierig werden solche Prozesse, weil nur jeweils eine Substanz herausgelöst werden soll.

Am gelbfärbenden Beta-Carotin wird deutlich, wie ein Forschungsbereich in den anderen übergeht. Eis-Hersteller suchen schon länger nach einem Ersatz für das synthetische Mittel, dessen Verwendung auch dafür sorgt, daß die kalten Kugeln als Kunstspeiseeis deklariert werden müssen. Der Weg: Natürliches Carotin wird aus Paprika, Tomaten oder Orangen gewonnen, und die Stoffe, die für den ursprünglichen Haupt -und jetzt unerwünschten Nebengeschmack sorgen, werden herausgefiltert.

Mit Brotresten

gegen E-150

Oder der „Brot-Sirup“: Brotreste aus einer Brotfabrik landeten früher tonnenweise in Schweineställen. Mit dem Einsatz von Enzymen werden die Kohlehydrate jetzt aufgeschlossen und damit ein „süßschmeckendes Produkt“ hergestellt. Der Sirup bietet eine Fülle von Möglichkeiten: wegen seiner Süßkraft als Zusatzstoff für Backwaren, als natürliches Hlfsmittel gegen Austrocknung - und als brauner Farbstoff dient er auch noch, der den krebsver

dächtigen Farbstoff „Zuckerkulör“ (E 150) in Suppen, Soßen und Cola ersetzen kann. Und ist der konzentrierte Farbsirup viel billiger. Lösche hat das Verfahren europaweit patentieren lassen, eine Bremerhavener Fabrik stellt den Sirup bereits her.

Überhaupt, die Abfälle bieten viele Möglichkeiten. Vermahlene Hühnerfedern sollen ins Hunde-und Katzenfutter, und auch das Chitin aus den 50 Tonnen Schalen, die wöchentlich an der Küste beim Krabbenpulen anfallen, könnten noch nutzbringend eingesetzt werden. Lang ist die Liste der Arbeitsvorhaben, die auch die Verwendung nachwachsender Rohstoffe umfaßt: So könnte Fructose aus dem „Erdapfel“ Topinambur hergestellt werden, und gleich reihenweise weitere Synthi-Farbstoffe durch Mikroorganismen aus dem Polarmeer.

Lösche legt Wert auf die Feststellung, daß nicht nur für die Industrie gearbeitet werde. So etwa enstand ein „Tofu -Topf“, in dem Käse aus Sojabohnenmilch reifen soll, für einen Öko-Produzenten; Aufträge kommen auch von Erzeuger-und Verbrauchergenossenschaften oder von der Gewerkschaft Nahrung, Genuß und Gaststätten.

Nachholbedarf

Aus der Sicht der Hochschule ist verständlich, warum sich Bremerhaven - und hier vor allem der Fischereihafen - als Standort anbietet. Während in der BRD nur sechs Prozent der Industrie

betriebe Nahrungs-und Genußmittel herstellen, sind es im Land Bremen 16,7 Prozent und in Bremerhaven 29 Prozent. Die gesamte Branche zeichnet sich durch unterdurchschnittliche Ausgaben für Forschung und Entwicklung aus. Für zusätzlichen Druck zur sicheren Herstellung von Lebensmitteln sorgten die Skandale der letzten Jahre, die nicht nur die Hersteller von Nudeln und die Verarbeiter von Fisch bis an den Rand der Pleite brachten, sondern die gesamte Branche aufschreckten. „Auch wenn Sie es nicht so gerne hören: Die Lebensmittelqualität ist in den letzten Jahren immer besser geworden“, sagt Lösche.

Mittelständische Unternehmen haben allerdings oft weder die Zeit noch das Wissen, um neue, ökologischere Verfahrenstechniken zu entwickeln. So geht das Bio-Trio davon aus, daß es ihnen in sehr kurzer Zeit gelingen wird, ihr Institut auf finanziell sichere Beine zu stellen - wenn die sehr beengten Arbeitsbedingungen in der Hochschule durch einen Neubau im Fischereihafen beendet werden. „Potente Auftraggeber warten nur darauf, daß wir beginnen können“, freut sich Kurzhals. Wo sonst könnte das Problem von Iglo/Langnese gelöst werden, die es finanziell zu spüren bekommen, daß sich die Sauce auf ihren Yuppie-Pizzas im Mikrowellenherd in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt und als recht eklig aussehendes Gemisch von Fett und Wasser wieder herauskommt?

mc