„Jetzt reicht's: Tod den Faschisten“

■ Nach dem Überfall in der Lahnstraße: Demonstrationszug gegen Neonazis, gegen Staat und gegen „Glatzen“ durch Bremen / Aufruf zur antifaschistischen Gegegwehr / Kaum Beteiligung der „Neustädter“

„Wer Faschismus nicht will, darf den Staat nicht dulden“, hinter diesem Transparent und mit der Parole „Tod den Faschisten“ zogen am Freitag nachmittag 200-300 meist schwarz und teils auch bunt gekleidete Menschen zwei Stunden lang durch Bremen. Die Demonstration, die von dem ehemals besetzten Haus am Buntentorsteinweg ausging, richtete sich gegen den „Naziterror in der Neustadt“. Letzter Anlaß war der Überfall rechtsradikaler Jugendlicher in der Lahnstraße, die nach einer Warnung mit Hakenkreuz eine Woche zuvor dann in der Nacht vom 8. zum 9. Juli in einem Haus gezielt die Fenster einschlugen, in die Wohnung eines Bewohners in den zweiten Stock stürmten, den Raum verwüsteten und den „Gesuchten“ krankenhausreif schlugen. (vgl. taz-hb 11./12./13.7.)

Dieser Vorfall sei nicht der einzige in der letzten Zeit gewesen, steht in dem Demonstrationsaufruf (vgl. u.a. taz-hb 16.7.) : „Jetzt reichts.“ Man könne sich „nicht auf die Polizei verlassen“. Tatsächlich haben die Ermittlungen, die in den ersten Tagen sehr schleppend angelaufen sind, bisher hat sich kein Indiz gegen die (der Polizei nicht unbekannten) mutmaßlichen Täterkreise ergeben. Das Opfer des Überfalls, der „Antifaschist“ Ernst B., liegt noch im Krankenhaus.

„Wir haben leider wieder so lange gewartet und uns in Sicherheit gewähnt, bis es jetzt wieder Opfer der Nazis gegeben hat“, heißt es in dem Demonstrations

aufruf. „Wir rufen alle Menschen in der Neustadt und in ganz Bremen auf, der braunen Pest entgegenzutreten! Achtet auf Treffpunkte der Faschisten, diskutiert mit Nachbarn..., organisiert Euch gegen ein neues '33!“

In der Demonstrationen nicht gewohnten Neustadt weckte der Zug allerdings eher skeptisches Erstaunen, über den Anlaß der Demonstration waren die wenigsten Passanten informiert.

Die Polizei eskortierte den friedlichen, aber nicht angemeldeten Zug mit einem Streifenwagen vorneweg und Manschaftswagen in Seitenstraßen durch die Neustadt in die Bremer City. Nach einem kurzen Bogen zur Sielwall-Kreuzung, dem traditionellen Punk-Eck, war auf dem Marktplatz die Abschlußkundgebung. Im Anschluß zog die Mehrzahl der DemonstrantInnen zurück zum Buntentorsteinweg. Zu

den befürchteten handfesten Auseinandersetzungen mit rechtsgerichteten „Skins“ und andere Gruppen, die sich gewöhnlich freitags abends am Bahnhof treffen, kam es nicht mehr. Die Polizei vermeldete nur eine Festnahme eines Jugendlichen kurz nach Beginn der Demonstration, der zugegeben habe, er habe mit anderen (Skins) Molotow -Cocktails „gebastelt“, um sie gegebenenfalls auf die Demonstration zu

werfen.

Zu der Demonstration waren auch aus umliegenden Orten antifaschistische Gruppen gekommen. Eine Reihe der Demonstranten lief im Punk-look und Bierdosen in der Hand mit, nur vereinzelt hatten sich auch bekannte Gesichter aus anderen politischen Milieus dazugesellt.

Der Aufruf war auch so formuliert, daß Gruppen außerhalb der „antifa-Kreise“ sich ausgeschlossen fühlen mußte. Dort steht als zentrale Aussage: „Wer den Faschismus nicht will, darf den Staat nicht dulden. Denn dieser Staat toleriert und schützt das Auftreten und die Aktivitäten von Rechtsradikalen aller Art, weil er teilweise gleiche Interessen wie wie erfolgt (Hatz auf unbequeme und unangepaßte Menschen aller Art, Terror gegen Linke, Frauenunterdrückung, Militarismus etc). Die Nazis verwirklichen auf ihre Weise das, was sich viele 'demokratische‘ Politiker noch nicht auszusprechen trauen...“

Weder die Friedensinitiative Neustadt, zu deren antifaschistischen Treffen der Zusammengeschlagene aus der Lahnstraße, Ernst B., in den letzten Monaten regelmäßig gegangen war, noch Grüne, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) oder der SPD-Ortsverein Neustadt waren von den Organisatoren der Demonstration direkt angesprochen worden. So war die Beteiligung insbesondere auch der „Neustädter“ an dem Protestmarsch marginal.

K.W.