Soft Targets

Die IRA verliert an Unterstützung  ■ K O M M E N T A R

Die in der Vergangenheit oft bemühte Entschuldigung der „Irisch-Republikanischen Armee“ (IRA), daß die britische Präsenz in Nordirland Ursache aller Gewalt sei, zieht nicht mehr. Nach dem katastrophalen Anschlag von Enniskillen im letzten November versprach die IRA, eine Untersuchung einzuleiten und Risiken in Zukunft auszuschalten. Das scheint zu keinem Ergebnis geführt zu haben, denn die Serie von mißlungenen Anschlägen in diesem Jahr deutet eher darauf hin, daß die IRA tote „Zivilisten“ bewußt in Kauf nimmt.

Seit der Präsident des politischen Flügels der IRA „Sinn Fein“, Gerry Adams, im Januar Gespräche mit den nordirischen Sozialdemokraten aufgenommen hat, ist die IRA in Zugzwang. Sie muß Gerüchte über einen bevorstehenden Waffenstillstand widerlegen, um ihre eigenen Mitglieder nicht zu demotivieren. Da der britische Geheimdienst jedoch inzwischen detaillierte Informationen über die IRA besitzt, weicht diese immer mehr auf „soft targets“ aus: ein Armee -Reservist am Steuer eines Schulbusses, die Schwester eines Reservisten, ein chinesisches Restaurant, in dem britische Soldaten bedient werden, ein Elektriker, der in einer Kaserne Kabel verlegt hat.

Spätestens seit dem mißlungenen Anschlag vor zwei Wochen, bei dem zwei Passanten in der IRA-Hochburg West-Belfast getötet wurden, hat sich auch bei den IRA-Sympathisanten Resignation breitgemacht. Deshalb konnte die IRA aus der allgemeinen Empörung nach den Gibraltar-Morden im März auch nicht das erwartete Kapital schlagen. Damals hatte die britische Sondertruppe SAS drei unbewaffnete IRA-Mitglieder in der britischen Kronkolonie erschossen. Selbst liberale Iren und Briten sehen in den vielen „Irrtümern“ der IRA seitdem eine nachträgliche Rechtfertigung für den SAS -Einsatz in Gibraltar.

Ralf Sotscheck