Ein Toast auf Kamputscheas Frieden

■ Auf der „Cocktail-Party“ in Jakarta verhandeln heute alle beteiligten Parteien / Von Larry Jagan

„Zusammen in einem Raum zu sein wird zumindest das Eis brechen“, meinte ein Beobachter, als gestern abend erstmals alle Parteien des Kamputscheakonflikts an einem Tisch zusammensaßen - zum Dinner. Prinz Sihanouk kam „nur als Privatmann“ zu dem informellen Treffen in der indonesischen Hauptstadt. Er ist vor 14 Tagen als Führer der Widerstandskoalition, die von der UNO als rechtmäßige Vertreterin des kamputscheanischen Volkes angesehen wird, zurückgetreten. Vietnam, Kamputschea und Laos sind ebenfalls hochrangig vertreten. Auch die ASEAN-Mitglieder Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur und Thailand schickten Delegationen, so daß aus dem Cocktail-Smalltalk ein entscheidendes Roundtable-Gespräch werden könnte.

Prinz Sihanouk trat zwar zurück, ließ seinen Platz jedoch weitblickend von Prinz Ranaridd einnehmen - seinem Sohn. Unter dessen Vorsitz findet heute die „CocktailParty“ statt, ein informelles Treffen der Widerstandskoalition mit der gegenwärtigen Phnom-Penh-Regierung und den Vietnamesen, die 1979 das Schreckensregime der Roten Khmer gestürzt hatten.

Die „Cocktail-Party“ wurde im letzten Jahr von dem damaligen indonesischen Außenminister Mochtar Kusumaatmadja und seinem vietnamesischen Amtskollegen Nguyen Co Tach beschlossen. Durch Einwände anderer Staaten des ASEAN -Bundes, insbesondere durch die kritische Haltung Thailands, wurde sie allerdings vorerst sabotiert.

Des langen Wartens überdrüssig, traf sich Prinz Sihanouk frustriert im Dezember und Januar mit Phnom Penhs Premierminister Hun Sen in Paris. Dort erarbeiteten sie ein Grundsatzprogramm für eine politische Lösung. Aufgenommen wurden allerdings nur jene Punkte, über die man sich mühelos einigen konnte. Weder der vollständige vietnamesische Truppenabzug noch Vorschläge zur Machtverteilung tauchen darin auf.

Entscheidender Streitpunkt war Hun Sens Weigerung, die Macht in Phnom Penh zu teilen und eine internationale Friedenstruppe anstelle der Vietnamesen zu akzeptieren. So kam es zu keinem weiteren Treffen.

Auftrieb gab dem Friedensabkommen allerdings Anfang des Jahres Vietnams Ankündigung, seine militärische Präsenz in Kamputschea zu verringern und die verbleibenden 50.000 Soldaten unter kamputscheanischen Oberbefehl zu stellen. Im Gegensatz zu früheren Ankündigungen fand dieser Abzug auch tatsächlich statt.

Man spekuliert, daß sowjetischer Druck Vietnam dazu bewegt haben mag, das Modell Afghanistan auch für die Lösung des Kamputscheakonflikts zu akzeptieren. Dies mag für den Zeitpunkt der Verhandlungen zutreffen. Gorbatschow kann so außenpolitischer Rückenwind gegeben werden. Den eigentlichen Ausschlag dürfte aber die brachliegende vietnamesische Wirtschaft und die verzweifelte Suche nach ausländischen Investoren gegeben haben.

Vietnam will Isolation

brechen

Vietnams Regierung beabsichtigt, die Heimgekehrten beim Wiederaufbau des Landes einzusetzen. 40.000 Mann hat Vietnam erst Anfang des Jahres aus Laos abgezogen und zudem die Truppen an der chinesischen Grenze deutlich reduziert. Ob erfolgreiche Soldaten auch im Frieden Erfolg haben werden?

Während der Handel der ASEAN-Staaten mit Japan ständig wächst, bleibt Vietnam hier außen vor, und auch Vietnams mehrfach wiederholte Bitte um internationale Lebensmittelhilfe stieß auf taube Ohren.

Der heutige Montag markiert auch einen entscheidenden Durchbruch in der Wiederannäherung zwischen den USA und Vietnam. Eine offizielle US-Gesandtschaft wird in Hanoi eintreffen, um die Frage der militärischen Gefangenen und der seit dem Vietnamkrieg Vermißten zu klären. Vietnam hat dem Team volle Unterstützung zugesichert, und sollte die Mission erfolgreich verlaufen, ist die Aufnahme diplomatischer Beziehungen nur noch eine Frage der Zeit.

Auch die Beziehungen zu China versucht Vietnam anzukurbeln. Anstatt wie gewohnt über Chinas Hegemonialansprüche zu klagen, äußerten sich Offizielle und Zeitungen in letzter Zeit mit Bewunderung für den schnellen Erfolg der chinesischen Reformen. Selbst der Agrarminister gab offen zu, daß Vietnams neues Pachtsystem sich an einem erfolgreichen chinesischen Beispiel orientiere. „Wir können von dem chinesischen Experiment viel lernen“, sagte er.

Chinesisches Schattenspiel

Die beiden Schlüsselfragen, die nun anstehen, sind Kamputscheas militärische Sicherheit und die zukünftige Rolle der Roten Khmer. US-Außenminister George Shultz hat vor den ASEAN-Außenministern Anfang dieses Monats bekräftigt, daß die Vereinigten Staaten eine Rückkehr der Roten Khmer entschieden ablehnen. Auch wenn dieser Vorbehalt von den meisten Konfliktparteien geteilt wird, sind die Roten Khmer durch Chinas fortgesetzte militärische und politische Unterstützung eine Macht, mit der man rechnen muß.

Es gibt allerdings deutliche Anzeichen für eine Distanzierung Chinas von Pol Pot. Klar ist, daß China nur ein neutrales und ungebundenes Kamputschea akzeptieren wird. Chinas traditionelle Antipathie gegenüber Vietnam bleibt bestehen, aber seine strategischen Interessen konzentrieren sich inzwischen auf das südchinesische Meer.

Dort ist die Sicherung der Spartley-Inseln zentral für seine regionalen Ziele. Ebenso wie auf den Zugang zu den Gas -, Öl- und Fischvorkommnissen der Inseln dringen sie auf die Einrichtung eines strategischen Brückenkopfs in Südostasien. Ein Gebietsanspruch, den sie nur allzu bereit sind, mit militärischer Kraft zu behaupten. Abgesehen von Scharmützeln mit den Vietnamesen im Frühjahr hat 'Xinhua‘, Chinas offizielle Nachrichtenagentur, letzten Monat verkündet, daß China in der Region „nukleare“ Seemanöver geprobt habe.

Durch das letzte Gipfeltreffen der Supermacht-Zwillinge fühlt sich Deng Xiaoping überdies an die Wand gespielt, und da die Tage des „starken Mannes“ aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung gezählt sind, ist ihm daran gelegen, auf der internationalen wie nationalen Bühne noch einmal Eindruck zu schinden.

Um wieder ins Scheinwerferlicht zu geraten, verkündete er just während des US-sowjetischen Gipfels seine Bereitschaft, Gorbatschow in nächster Zukunft zu treffen, vorausgesetzt, an der kamputscheanischen Front komme es zu einer merklichen Bewegung. Nächsten Monat finden sowjetisch-chinesische Gespräche zu Kamputschea in Peking statt, die den Friedensprozeß noch beschleunigen dürften. Chinas Außenminister Qian Qichen hat Außenminister Shultz gerade erst versichert, daß man eine Rückkehr der Roten Khmer nicht anstrebe. Im Falle einer politischen Lösung würden Pol Pot und und andere ehemalige Führer der Roten Khmer in den „Ruhestand“ gehen.

Aber die chinesische Ankündigung und die mächtige persönliche Unterstützung beim Treffen der ASEAN -Außenminister in Bangkok veranlaßten Prinz Sihanouk, durch die Niederlegung seines Amtes als Widerstandsführer auf die internationale Gemeinschaft und besonders auf China Druck auszuüben.

Keiner bezweifelt, daß der quecksilbrige Prinz der Schlüssel zu jeder politischen Lösung ist, da er nun mal die einzige Person ist, die das Khmervolk einigen kann. Sihanouk ist auf eine weitere UN-Beteiligung am Friedensprozeß bedacht. Der Besuch des UN-Sonderbeauftragten Rafeedin Ahmed in Phnom Penh, der erste direkte Kontakt nach zehn Jahren Isolation, ließ Hoffnung aufkommen, daß eine UN -Friedenstruppe an einer Übergangsregierung beteiligt sein könnte.

Obschon die chinesischen Vorschläge einen Waffenstillstand einschlossen, bleibt die Entwaffnung der Roten Khmer der springende Punkt. Während dies für die Chinesen gegenwärtig nicht akzeptabel ist, haben sie immerhin die Bereitschaft, weitere Waffenlieferungen zu stoppen, angedeutet. Dies und eine UN-Friedensmacht scheinen für jegliche Friedensregelung wesentlich, da viele befürchten, daß die Roten Khmer nur darauf lauern, dorthin zurückzukehren, wo sie sich am besten auskennen: zu den „killing fields“.