30.000 Strandläufer gegen das Gift in der Nordsee

Großer Andrang beim Aktionstag der Nordseebäder / Konzertierte Aktion zwischen Umweltschützern und Kurverwaltungen / Menschenkette auf Sylt  ■  Vom Strand Olaf Stampf

Kirchenglockengeläut und Händehalten über 40 Kilometer gegen das Gift in der See: Punkt 12 Uhr mittags setzten gestern rund 30.000 Menschen auf Sylt „ein Zeichen gegen den Dreck in der Nordsee“. Urlauber, Einheimische und extra angereiste Bürgerinitiativen bildeten am Weststrand der größten deutschen Ferieninsel zwischen List und Hörnum eine Menschenkette. Strandkorbwächter und Umweltschützer koordinierten die Aktionen am Strand gemeinsam. Zuvor hatte sich die Kurverwaltung durch Plakate und Hauswurfsendungen um die Mobilisierung verdient gemacht. Die konzertierte Aktion ist bislang einmalig: Eine Umweltinitiative hatte die Demo angemeldet, der Nordseebäderverband fungierte als Träger.

Auch auf mehreren anderen nordfriesischen Inseln und an der Westküste Schleswig-Holsteins protestierten gestern Zehntausende gegen die Verschmutzung der See. Nach den Kirchenglocken zur Mittagszeit gab es Menschenketten auch auf Föhr, auf Nordstrand, auf der Hallig Hooge und in Friedrichstadt. Am Strand von Amrum warfen sich Gäste und Einheimische auf einer Länge von 150 Metern auf den Strand, um die Worte „Unsere Nordsee - Laßt sie leben“ erscheinen zu lassen. In St.Peter Ording machten Feuerwehr und Rotes Kreuz bei einer Sternfahrt zum Strand einen Teufelslärm mit Martinshörnern und Blaulicht. Fortsetzung auf Seite 2

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Auf Sylt folgte nach der zehnminütigen Kurzdemo die Kundgebung auf der Kurpromenade von Westerland. Es sprach Schleswig-Holsteins Umweltminister Berndt Heydemann. Und er sprach von „Schulden, die wir bei der Natur haben und welche wir - wie andere Schulden auch - zurückzahlen müssen“.

Vor der Aktion hatte es Querelen gegeben. Zunächst war der Gemeinderat von Westerland mit dem Projekt der Bürgerinitiative „Sylter Menschenkette“ überhaupt nicht einverstanden. Aber Bürgermeister Volker Hoppe schwenkte kurz vor Beginn noch um. Kritik kam von der Aktionskonferenz Nordsee (AKN) aus Bremen. Es gehe beim Aktionstag einzig „um eine großangelegte Werbekampagne der unter Buchungsverlusten stöhnenden Tourismus-Manager“, erklärte die AKN. Eine Vielzahl anderer Organisationen klinkte sich jedoch in den Protesttag ein. Der Deutsche Tierschutzbund ließ für ein Robben-Krankenhaus die Sammelbüchse kreisen. Ein Privatsender hatte seine Reporter ebenfalls mit Blechbüchsen versehen und kassierte für eine Seehund-Beobachtungsstation. Aktivisten der Deutschen Friedensunion protestierten mit einem zehn Quadratmeter großen Transparent gegen das Militärflugzeug Jäger 90.

Im Anschluß an den Aktionstag wollen am Montag 38 Kurdirektoren, Bürgermeister und Umweltschützer aus Schleswig-Holstein nach Bonn reisen, um dort zu protestieren, „wo politische Entscheidungen getroffen werden.“ Der Salonwagen, in dem sie die Fahrt antreten, ist nach dem friesischen Freiheitshelden Pidder Eyng benannt.