Blutiger Kampf am Golf um Verhandlungstrumpf

■ Vor Gesprächen in New York noch heftige Positionskämpfe an der Front Die Außenminister Irans und Iraks bald gemeinsam beim UN-Generalsekretär

Manama (afp/ap) - Trotz erster Schritte in New York zur Aufnahme direkter Gespräche zwischen Iran und Irak zur Beendigung des Golfkriegs sind irakische Truppen am Wochenende weiter auf iranisches Gebiet vorgedrungen als je zuvor in den acht Jahren des mörderischen Kriegs. Teheran berichtete am Sonntag ebenfalls über zahlreiche kriegerische Erfolge, mit denen die irakische Offensive gestoppt worden sei. In New York wird UN-Generalsekretär Javier Perez de Cuellar zu Beginn dieser Woche erste Gespräche mit den Außenministern beider Kriegsgegner aufnehmen.

Wie die iranische Nachrichtenagentur 'IRNA‘ meldete, setzten die von der Luftwaffe unterstützten irakischen Streitkräfte ihre Angriffe über die Grenze zwischen den beiden Staaten weiter fort. 'IRNA‘ warf den Irakern erneut vor, auch Chemiewaffen einzusetzen. Mit der Ankündigung des irakischen Generalstabs von Samstag abend, seine Truppen im Südabschnitt der Front von gegnerischem Territorium abzuziehen, hatte Bagdad erstmals offiziell bestätigt, daß seine Soldaten auf iranisches Gebiet vorgerückt waren. Sie waren an dieser Stelle etwa 60 Kilometer nach Iran eingedrungen. Am Sonntag teilte ein irakischer Militärsprecher laut der amtlichen Agentur 'INA‘ mit, das dritte Armeekorps habe sich bis zum frühen Morgen in seine Ausgangspositionen an der Grenze zurückgezogen, ohne daß es dabei zu Kampfhandlungen gekommen sei. Das dritte Korps führe eine große Anzahl iranischer Kriegsgefangener sowie erbeutetes Kriegsgerät mit sich. Die iranischen Revolutionswächter berichteten dagegen am Sonntag, der Gegner habe sich nicht freiwillig zurückgezogen, sondern sei bis an die Grenze zurückgedrängt worden.

Irak verfolgt offenbar die Taktik, aus einer Position möglichst großer Stärke in die Waffenstillstandsverhandlungen zu gehen. Fortsetzung auf Seite 6

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Der angestrebte Waffenstillstand sieht auch einen vollständigen Gefangenenaustausch vor. Nach Angaben des Generalstabs in Bagdad wurden an der Südfront von Freitag bis Sonntag 8.635 iranische Soldaten gefangengenommen. Das Ziel scheint zu sein, die Zahl der eigenen Kriegsgefangenen möglichst stark zu erhöhen. Die Schätzungen über die Zahl der iranischen Soldaten in der Gewalt Bagdads schwanken zwischen 13.000 und 25.000. Die irakischen Kriegsgefangenen werden vom Roten Kreuz auf etwa 50.000 geschätzt. Seit Samstag nachmittag sind laut IRNA 4.000 irakische Soldaten getötet oder verwundet worden. Die irakische Seite machte keine Angaben über Verluste. Das iranische Oberkommando rief am Samstag und Sonntag immer wieder zu massiver Mobilmachung auf. „Radio Teheran“ unterbrach wiederholt seine Sendungen, um vor einer irakischen Invasion zu warnen. In der Nacht zum Samstag hatten die Außenminister Irans und Iraks der UNO zugesichert, am Wochenende nach New York zu kommen, um mit Perez de Cuellar über die Verwirklichung des Waffenstillstandes gemäß der UN-Resolution 598 zu beraten. Nach Ansicht von UN-Diplomaten könnten die Gespräche am Montag oder Dienstag beginnen. Irak hat unterdessen auch grünes Licht für den Empfang der technisch-militärischen UN -Sonderdelegationen gegeben, die die Modalitäten des Waffenstillstandes prüfen soll. Teheran hatte bereits zuvor seine Einwilligung gegeben. Die Delegation sollte am Sonntag im Iran eintreffen und dort drei Tage bleiben, ehe sie nach Bagdad weiterfliegt.