Garlstedter Kessel

■ Prozeß gegen Panzertrassen-Spaziergänger mußte eingestellt werden / Alte Bekannte vor Gericht

25 regelmäßige TeilnehmerInnen an den Sonntagsspaziergängen gegen die Panzertrasse in Garlstedt warteten gestern bei bestem Sommerwetter eine Stunde lang vor dem Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck. Gleichzeitig wurde auch im zweiten Stock gewartet: Vor dem Gerichtssaal saßen vier Polizeibeamte, die als Zeugen der Staatsanwaltschaft gegen einen der Antimilitaristen aussagen sollten. Als Amtsrichter Minge endlich zum verspäteten Prozeß aufrief, trafen im Gerichtssaal alte Bekannte aufeinander. Schließlich war es schon der 150. „Spaziergang“ gewesen, bei dem sich am 6. Dezember 1987 zugetragen hatte, was nun gestern als „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ vor Gericht verhandelt werden sollte.

„Der Herr mit Vollbart, dort in der zweiten Reihe, der war es.“ Der als Zeuge geladene Osterholz-Scharmbecker Kriminal -Kommissar ließ sich von der Verteidiger-Strategie nicht verwirren. Er kennt die Gesichter der Garlstedt -SpaziergängerInnen aus zahllosen sonntäglichen Begegnungen und entdeckte den Angeklagten Ernst G. auf Anhieb, obwohl er nicht auf der Bank neben seinem Verteidiger, sondern mitten im Publikum Platz genommen hatte. Das einzige Manko seiner flinken Täter-Identifizierung: Er war gar kein direkter Zeuge der „Tat“, über die Richter Minge entscheiden sollte. Drei weitere Polizisten, aus Brake, Bremervörde und Oldenburg angereist, waren am 6. Dezember 1987 zwar direkt beteiligt gewesen, dafür allerdings konnten sie sich gestern vor Gericht an den „Täter“ nur noch vage erinnern.

Und zudem konnten sie auch an der „Tat“ nichts Sträfliches erkennen. „Das war keine schlimme Handlung, sowas ist auf Demonstrationen üblich“, erinnerte sich zum Beispiel der 21jährige Polizist aus Brake.

Schließlich mußte auch der Staatsanwalt passen, weder konnte er für seinen Vorwurf des „Widerstandes gegen die Staatsgewalt“ den entsprechenden „Täter“ präsentieren, noch mochte die „Tat“ strafrechtlich relevante Formen annehmen. Er bot die Einstellung des Verfahrens auf Kosten der Staatskasse an, Ernst G. stimmte zu.

„Es stellt sich allerdings die Frage der Rechtmäßigkeit des Polizeieinsatzes“, hatte Verteidiger Schultz schon zu Beginn des Prozesses den Spieß umgedreht. Denn was am 6. Dezember tatsächlich passiert war, könnte zumindest den Vorwurf unverhältnismäßiger Mittel rechtfertigt: 150 Beamte hatten auf freiem Feld die ca 30 Garlstedt-SpaziergängerInnen eingekesselt - ohne Anlaß und ohne Grund. Als dann einer von ihnen gehen wollte, hinderten ihn gleich drei Polizisten mit vereinten Kräften daran, obwohl die Polizei weder vorläufige Festnahmen ausgesprochen noch um die Personalien gebeten hatte. „Das war ein reines Durcheinander“, erinnerte sich gestern auch der Oldenburger Polizist an die damalige Situation.

Nach einer Stunde Verhandlungsdauer trennten sich die antimilitaristischen SpaziergängerInnen von den aufmerksamen Polizisten. Spätestens am kommenden Sonntag trifft man sich wieder - an der Trassen-Bau stelle in Garlstedt.

Ase