FU läßt Disziplinar-Maßnahmen im Fall Lemtis prüfen

Der 64jährige Medizinprofessor Lemtis wird zum 30.September in den regulären Ruhestand treten. Wie berichtet, hatte es kürzlich das Amtsgericht Tiergarten als erwiesen betrachtet, daß er während seiner Lehrtätigkeit mehrere Studentinnen sexuell belästigte. Auf taz-Nachfrage erklärte gestern der Medizin-Vizepräsident Brückner, daß von seiten der Universität keinerlei Druck auf den umstrittenen Professor ausgeübt worden sei. Der künftige Ruhestand habe ausschließlich mit Altersgründen zu tun. Nach dem Gerichtsurteil gehe man allerdings davon aus, daß Lemtis auch keine freiwilligen Lehrveranstaltungen mehr anbiete.

Für die FU ist damit aber der Fall Lemtis noch nicht erledigt. Nach Auskunft von Brückner sei „die Sache“ jetzt der Rechtsabteilung der Universität übergeben worden. Dort soll geprüft werden, ob Maßnahmen im Rahmen der Landesdisziplinarordnung zu ergreifen seien. Zunächst müsse aber die schriftliche Urteilsbegründung abgewartet werden. Außer einigen Flugblättern, so Brückner, liege der FU gegenwärtig aber „nichts Handgreifliches“ an Beweisen vor. Zumal es sich bei den sexuellen Belästigungen auch nicht um eine Straftat im Sinne des Strafgesetzbuches handele, sondern um das, „was eine Frau empfindet“. Sollten sich die Vorwürfe aber bestätigen, werde man mit „aller Rigorosität etwas dagegen unternehmen“. Bis dahin gelte der Grundsatz: „In dubio pro reo“.

Nach dem Gerichtsurteil will sich die ZE Frauenforschung vorerst darauf beschränken, beim FU-Präsidenten nachzuhaken, was weiterhin innerhalb der FU passiert. „Mehr können wir nicht tun“, erklärte eine Sprecherin. Von einem Strafverfahren gegen Lemtis rät Rechtsanwältin Goy ab. In dem Prozeß hatte sie die Studentin vertreten, die Lemtis wegen Verleumdung und übler Nachrede angeklagt hatte, weil sie seine sexuellen Belästungen öffentlich gemacht hatte. Angesichts der jetzigen Strömungen in der Justiz, so Goy, könne sie keiner Frau raten, gegen einen Professor ein Strafverfahren anzustrengen.

bim