Segovia ertrinkt in gelber Farbe

■ Pedro Delgado gewinnt als dritter Spanier die Tour de France / Die vier deutschen Fahrer erreichen das Ziel

Berlin (taz) - In Segovia, einhundert Kilometer von Madrid, war der Teufel los. Die Restaurants hatten die Tische mit gelben Decken bezogen, Feuerwerksraketen bestrahlten gelbe Fahnen, die mit dem Stadtwappen bedruckt waren, viele Einwohner trugen T-Shirts in den Farben des Siegertrikots und selbst das Denkmal von Juan Bravo bekam eines übergezogen.

Pedro Delgado, der radelnde Sohn der Stadt, hatte es geschafft. Weder die Berge der Alpen und Pyrenäen noch die brutale Hitze konnten ihn von seinem ersten Sieg der Tour de France abhalten, nicht einmal die infamen Franzosen mit ihrer betrügerischen Doping-Affäre (s.Press-Schlag) vermochten „Perico“ zu bremsen. Nachdem der Spanier auch diese Klippe erfolgreich umsteuert hatte war klar, daß ihm der erste Rang des Gesamtklassements nicht mehr zu nehmen sein würde.

Nach sechs vergeblichen Versuchen war der 28jährige in diesem Jahr soweit: die Spanienrundfahrt, die „Vuelta“, war Delgado zum Verdruß seiner Leute gar nicht mitgefahren, auch den Giro d‘ Italia benutzte er mehr zum einrollen und die Gewöhnung an die Berge höheren Kalibers. Und der Ire Stephen Roche, der im vergangenen Jahr nach rund 4.000 Kilometern den Lenker um gerade mal 40 Sekunden vorne hatte, war diesmal nicht mit dabei.

Die anderen Mitfavoriten konnten Delgado nicht gefährden: Sean Kelly, Vuelta-Sieger '88, strampelte von Anfang an hinterher; die französischen Asse Laurent Fignon, Jean -Francois Bernard und Charly Mottet stiegen entnervt aus den Sätteln; und die kolumbianischen Bergspezialisten um Luis Herrera vermochten an den Steigungen die nötigen Minuten nicht gutzumachen. So kam es bei der Jubiläums-Tour, der 75., zum dritten spanischen Erfolg bei dieser Rundfahrt nach Federico Bahamontes (1959) und Luis Ocana (1973).

Bei der vorletzten, der 21. Etappe, einem Einzel-Zeitfahren über 46 km, konnte Delgado seinen Vorsprung noch einmal beträchtlich vergrößern. Zwar wurde er nur Vierter, seinem direkten Verfolger Steven Rooks jedoch konnte er 2:15 Minuten abnehmen. Der 172,5km lange Schlußritt am Sonntag von Nemours nach Paris mit der Triumph-Runde auf den Champs Elysees war nur noch eine Formsache.

Unter den 150 Fahrern, die nach 3.200 Kilometern der viertkürzesten Tour aller Zeiten das Ziel erreichten, erwies sich Jean-Paul van Poppel einmal mehr als der schnellste Sprinter: Um Reifenbreite bezwang er den Italiener Guido Bontempi und holte sich seinen vierten Etappensieg.

Die deutschen Fahrer konnten wie erwartet keine Rolle spielen bei dieser Tour. Ein Etappensieg und ein zweiter Platz für den Bad Schussenrieder Rolf Gölz war alles, was heraussprang. Für die jungen Andreas Kappes und Hartmut Bölts ging es lediglich ums Durchkommen. Und Reimund Dietzen konzentriert sich Jahr für Jahr auf die Spanienrundfahrt, mit guten Erfolgen. Die Tour ist ihm eher lästige Pflicht. Gölz‘ Stall hat immerhin einige Etappensieger aufzuweisen, er partizipiert an den reichlich ausgeschütteten Prämien. Die drei anderen sollen zusammen kaum mehr als 1.000 Mark erhalten.

Dem Sieger winken da ganz andere Summen. Gut eine halbe Million bringt er in die Mannschaftskasse, die spätere Ausbeute ist gar nicht abzuschätzen. Vorerst aber wird gefeiert. Der Bürgermeister von Segovia und fünf Busse voller Fans hatten sich nach Frankreichs Hauptstadt aufgemacht, um an Delgados Jubel teilzuhaben. Die Tageszeitung 'El Adelantado‘, die ihre Auflage durch den „Perico„-Taumel bereits um satte 25 Prozent auf 5.500 steigern konnte, war mit zwei Sonderkorrespondenten in Paris dabei.

Auch die Köche Segovias tun für das Fest, was sie können: ab sofort servieren sie als Spezialität „Stierhoden a la Perico“. In gelber Safransoße natürlich.

Thömmes

Abschließendes Gesamtklassement: 1. Pedro Delgado (Spanien) 84:27:53 Stunden, 2. Steven Rooks (Niederlande) 7:13 Minuten zurück, 3. Fabio Parra (Kolumbien) 9:58, 4. Steve Bauer (Kanada) 12:15, 5. Eric Boyer (Frankreich) 14:04, 6. Luis Herrera (Kolumbien) 14:36, 7. Ronan Pensec (Frankreich) 16:52, 8. Alvaro Pino (Spanien) 18:36, 9. Peter Winnen (Niederlande) 19:12, 10. Denis Roux (Frankreich) 20:08, ... 83. Reimund Dietzen (Trier) 1:34:25 Stunden, ...91. Rolf Gölz (Bad Schussenried) 1:44:47, ... 110. Andreas Kappes (Bremen) 2:06:02, ...140. Hartmut Bölts (Heltersberg) 2:36:26.