Diskussionsverbot in Würzburg

Versammlung zur Situation nach den Schüssen an der Startbahn-West verboten / Grüne klagen gegen Freistaat Bayern / Breites Bündnis will Veranstaltung im Herbst durchsetzen  ■  Aus Nürnberg Bernd Siegler

Das vor kurzem von der Stadt Würzburg auf Weisung der Regierung von Unterfranken ausgesprochene Verbot einer Veranstaltung mit Mitgliedern der Frankfurter autonomen „Lupus-Gruppe“ im Autonomen Kulturzentrum Würzburg (AKW) wird Folgen haben: Die Würzburger Grünen werden gegen den Freistaat Bayern klagen, weil die Polizei den Zugang zu einer öffentlichen Vorstandssitzung der Grünen abgeriegelt hat, um damit eine vermeintliche „Ersatzveranstaltung“ zu unterbinden. Ein breites Bündnis will nun versuchen, die Veranstaltung mit dem Titel „Gegen Gesinnungsterror und Unterdrückung von abweichenden Meinungen“ durchzusetzen.

Eine Diskussion über die Situation nach den Schüssen an der Startbahn-West und insbesondere über das Vorgehen der Polizei soll auch im Freistaat möglich gemacht werden. Dies war Grundtenor einer Diskussion am Donnerstag letzter Woche, die im AKW unter den Motto „Unterdrückung unbequemer Meinungen in Würzburg“ stattgefunden hat.

Ein massives Polizeiaufgebot hatte am Tag der Veranstaltung den Zugang zum Jugendzentrum blockiert. Würzburgs Sicherheitsreferent Mack (SPD) gab zu, daß das bayerische Innenministerium interveniert hatte, aber die Stadt von sich aus genauso gehandelt hätte. Im Zuge der Ausweitung des Verbots auf etwaige Ersatzveranstaltungen hatte die Polizei eine Zusammenkunft der Teilnehmer in einer Gaststätte sowie den Zugang zur Vorstandssitzung der Grünen in einem Nebengebäude des AKW verhindert.

Die Würzburger Verbotsbegründung deckt sich mit anderen Versammlungsverboten beziehungsweise -verbotsversuchen in jüngster Zeit im Freistaat. Sowohl die Diskussionen über die Schüsse an der Startbahn West (Nürnberg, München, Forchheim), über Politische Gefangene in der BRD (Bamberg) als auch über das „anschlagsrelevante Thema“ Gentechnologie im Zusammenhang mit dem Paragraphen 129a (Nürnberg, München) wurden behindert oder untersagt. Herangezogen wurden dazu die Paragraphen 90a (Verunglimpfung des Staates) oder 111 (Aufforderung zu Straftaten). Demnach würde „der Veranstalter und sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben“. Die Verwendung von Begriffen wie wie „politisch-juristische Verfolgung“, „Diskriminierung“, „Einschüchterung“ oder „Überwachungsstaat“ auf Einladungsflugblättern reichten zum Verbot aus. Damit würde gegen die BRD der „Vorwurf eines besonders schimpflichen Verhaltens erhoben, das im krassen Widerspruch zum tatsächlich verwirklichten freiheitlich -demokratischen Rechtsstaat steht“. „Die Grenzen harter politischer Kritik oder taktlos-zynischer Entgleisungen“ würden dabei überschritten. Als Reaktion auf das Verbot riefen Würzburger Initiativen, von der Aids-Hilfe bis zur DKP, zur Veranstaltung vom letzten Donnerstag auf. Neben 150 BesucherInnen waren drei Polizisten da, die ihr Recht aus dem Versammlungsgesetz wahrnahmen und die Diskussion observierten.