„Wozu werden denn Autobahnen gebaut!“

Der CDU/CSU-Bundestagsabgeordnete Ernst Hinsken, seit acht Jahren Mitglied des Verkehrsausschusses, zieht in den Krieg gegen Italiens Tempolimit / Denn Tempobegrenzungen bergen oft die Gefahr vermehrter Unfälle, meint er  ■ I N T E R V I E W

taz: Herr Hinsken, Sie haben als langjähriges Mitglied des Verkehrsausschusses heftig gegen das neue Tempolimit auf Italiens Straßen protestiert. Wird jetzt die italienische Straßenverkehrsordnung in München oder Bonn gemacht?

Hinsken: Nein, die wird in Italien gemacht. Aber ich meine, was hier mit den deutschen Urlaubern geschieht, die sowieso Millionen und Milliarden nach Italien tragen, das ist skandalös und stinkt zum Himmel.

Die deutschen Urlauber sollen sich lieber durch Raserei in Gefahr begeben?

Verschiedene Untersuchungen belegen, daß Tempobegrenzungen nicht immer dazu geführt haben, daß weniger Unfälle passieren. Im Gegenteil: Weil viele Urlauber dann von den Autobahnen runtergehen und auf nicht so gut ausgebauten Landstraßen weiterfahren, setzen sie sich vermehrter Unfallgefahr aus.

Und was sagen Sie, wenn nach dem ersten Wochenende mit Tempolimit in Italien die Unfallhäufigkeit tatsächlich gesunken ist?

Ein erstes Resümee kann man erst am Ende dieser Urlaubssaison ziehen. Ich glaube, daß es den Italienern nicht darum geht, die Unfälle als solche zu begrenzen. Denn die italienische Polizei ist ja mit den Kontrollgeräten gar nicht so gut ausgestattet wie die bundesdeutsche. Ich glaube, den Italienern geht es darum, die Kassen noch vermehrt und ein bißchen schneller zu füllen.

Das heißt, die Italiener sind geldgierig?

Das haben Sie gesagt. Ich meine, es ist unseriös, ohne vorher die Leute darauf aufmerksam zu machen, ein Schild aufzustellen: Wir haben jetzt eine neue Geschwindigkeitsbegrenzung, basta. Mir geht es um die Art und Weise, etwas heute zu beschließen und morgen umzusetzen.

Den Fuß vom Gaspedal nehmen, kann man doch auch ohne lange seelische Vorbereitung.

Ich gehe davon aus, daß wir vernünftige Bürger in der Bundesrepublik haben, die sich auch in Italien verkehrsmäßig vernünftig verhalten, die wissen, wann sie vom Gaspedal runtergehen müssen, oder auch im Gefühl haben, ein wenig drauftreten zu können, um das Ziel möglichst schnell zu erreichen. Für was werden denn Autobahnen gebaut!

38 Milliarden Mark Schaden im letzten Jahr durch Autounfälle, spricht das für Vernunft?

Das kann man mit einem Fragezeichen versehen, man kann es aus Ihrer Warte sehen und aus meiner. Wir haben ja EG-weit bestimmte Straßengeschwindigkeiten im Auge und hier ist Italien total drunter. Wir haben Geschwindigkeitsbegrenzungen in Dänemark, Schweden und Holland, und die werden seit 1984 überprüft, ob sie nicht nach oben angehoben werden sollen, weil sich die Mehrzahl der Bürger überhaupt nicht dran hält. Dann frage ich mich, was hat denn eine Geschwindigkeitsbegrenzung überhaupt für einen Sinn?

Nun gilt ja das Tempolimit nicht nur für deutsche Urlauber, sondern für alle Verkehrsteilnehmer.

Das ist richtig, aber ich habe diesbezüglich heute morgen mit italienischen Freunden gesprochen, die sind genauso entrüstet wie ich.

Was würden Sie nun deutschen Italienurlaubern raten?

So zu fahren, wie es der Gesetzgeber dort vorschreibt. Mein Gott, die sollen das akzeptieren und nächstes Jahr dorthin fahren, wo eine Regierung nicht so rigoros vorgeht wie die italienische Regierung, ohne Rücksicht auf Verluste. Ich habe bereits einen Brief deswegen an den italienischen Botschafter geschrieben. Ich bin selbst Mitglied der deutsch -italienischen Parlamentariergruppe und hoffe dort auf Verständnis, daß man sagt: Paßt auf, wir ergänzen uns ja gegenseitig, wir Deutsche bringen das Geld in Ihr schönes Land, Sie stellen Ihr schönes Land zur Verfügung, daß wir Deutschen in Scharen kommen können.

Das Gespräch führte Vera Gaserow