Elektro und Metall wie neu

■ Neuordnung der Ausbildungsberufe für die Bereiche Elektro und Metall: „handlungsorientiertes Lernen“ und Neue Medien / Was fehlt: LehrerInnen!

Kabel nageln, immer an der Wand lang, bis der Meister abwinkt, Metallklötze feilen, bis ein glatter Quader entstanden ist, die Hände verhornt und die ersten drei Lehrmonate vorbei sind - mit solchen Ausbildungsformen soll es, wenn alles gut geht, bald endgültig vorbei sein: ab 1. August im Elektrohandwerk, spätestens ab 1989 in der Metall und Elektroausbildung der Industrie. Dann tritt die „Neuordnung der Ausbildungs

berufe“ in Kraft. Ganze Jahre lang haben VetreterInnen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen mit BildungspolitikerInnen an gemeinsamen Tischen gesessen und taugezogen. Handwerkskammer, IG Metall und Elektro-Handwerk haben sich jetzt im Elektrobereich auf sechs neue Berufsbilder und moderne Lernformen geeinigt, die Kultusminister haben Richtlinien und Lehrpläne herausgegeben. Alle Schülerinnen und Schüler, die jetzt nach der Hauptschule - ElektroinstallateurIn, Radio-oder Fernsehtechnikerin, ElektromaschinenbauerIn, ElektromechanikerIn, Büroinformations-ElektronikerIn oder Fernmeldeanlagen-ElektronikerIn werden wollen, lernen ab sofort erstens allesamt dreieinhalb Jahre lang statt nur drei und haben zweitens ein gemeinsames erstes Berufsgrundbildungsjahr mit gleichem Lehrplan. Ganz entscheidend sollen sich auch Lern- und Arbeitsformen in Betrieben und Schulen ändern: „Vormachen, abgucken, üben, nachmachen - das ist überholt, das läuft nicht mehr“, freute sich IG-Metall-Sekretär Gert Borrmann gegenüber der taz, „handlungsorientiertes Lernen ist angesagt.“ Das heißt: Statt stumpfsinnigem Kabelnageln sollen die Auszubildenden von Anfang an eine Aufgabe begreifen, planen, durchführen und selbst überprüfen.

Eine wichtige Stellung haben in den neuen Berufsbildern die neuen Kommunikationstechniken und Medien, die Auszubildende fast aller heutigen Berufe kennennlernen sollen, wollen und müssen. Umstellen müssen sich in Bremen manche Handwerks

betriebe, wenn ihre Auszubildenden nach wie vor die Gesellenprüfung der Handwerkskammer bestehen sollen.

Wo die einzelnen MeisterInnen nicht mehr durchblicken, wo zur Ausbildung manche elektronischen Geräte oder ganze Prouktionszweige fehlen, springt die Handwerkskammer jetzt verstärkt mit Lehrgängen in ihrem Berufsförderungs-Zentrum ein: neun bis zehn Wochen statt früher sechs werden inzwischen überbetrieblich ausgebildet: „Das bedeutet weniger betriebliche Ausbildungszeit und mehr Kosten“, bilanzierte der Chef der Elektro-Innung und Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Dahlbeck, gegenüber der taz. Jede Ausbildungswoche kostet pro Lehrling 130 bis 140 Mark, die je zu einem Drittel vom Bundeswirtschafts-Ministerium, vom Land Bremen und vom Ausbildungsbetrieb getragen werden. Auf einen entsprechenden Beschluß der Handwerkskammer hin sind solche Lehrgänge dann für Auszubildende aller Betriebe Pflicht.

Bei der Umstellung auf die Neuordnung arbeitet die Bildungsbehörde mit Hochdruck daran, die Rahmenlehrpläne der Kultusminister-Konferenz für Bremen mit LehrerInnen und Wirtschaftsleuten umzuschreiben, für die „innovativen Anteile“ den Bedarf an neuer Ausstattung zu ermitteln und Lehrerfortbildung zu organisieren - soweit die spärlichen Mittel des armen Bundeslandes das zulassen. „Mit der Ausstattung stehen die Bremer Berufsschulen nicht schlecht da“, behauptet der behördliche Bildungsplaner Werner Hüster: Für ein „enormes Be

schaffungsprogramm“ im Rahmen der Neuordnung werden vor allem die normalen Etats der Schulen für Lehr- und Lernmittel umverteilt werden. Mit einer Prognose für den Berufsschullehrer-Bedarf hofft die Behörde, bis zum Herbst fertig zu sein.

Nicht nur die Gewerkschaft GEW weiß: Es fiel und fällt massenhaft Unterricht aus - zum Teil die Hälfte der vorgeschriebenen 12 Wochenstunden, oft 3 bis 4 Stunden. Sport, Deutsch oder Politik fallen den Rotstiften der StundenplanerInnen meist am schnellsten zum Opfer.

Mehr als an modernen computergestützten lernmitteln fehlt es in allen Schulen an Lehrer-Stellen und an qualifizierten Lehrkräften. An der Kerschensteiner Straße etwa sind die LehrerInnen im kaufmännischen Bereich zwischen 50 und 60 Jahre alt und entsprechend knapp vor der Pensionierung. Der Einstellungskorridor ist nur ein knapper Silberstreif am Horizont: Während andere Bundesländer qualifizierte BerufsschullehrerInnen mit Beamtenstellen locken und Baden -Württemberg die Besoldung von A12 auf A13 angehoben hat, bietet Bremen - höchstens - befristete Angestelltenverträge an. Die jetzigen KollegInnen sind oft überfordert, wenn sie auch im Unterricht für Bankangestellte, Einzelhandelskaufleute, Elektroinstallateure mit Neuen Medien unterrichten sollen. 600 Stunden Fortbildung über zwei bis drei Jahre sollen pro Nase die KollegInnen schlau machen und reißen zunächst überall neue Löcher in die Stundenpläne.

Susanne Paa