Beim Sozi 12 Mark mehr für alle

■ Bremen erhöht die Sozialhilfe um 3 Prozent ab 1. Juli / Im September müssen 24 Mark nachgezahlt werden / Absichtserklärungen für einen neuen Berechnungsmaßstab aus dem vergangenen September sind nichtig

Bremens Sozialhilfeempfänger können sich glücklich schätzen: Vom 1. Juli an erhalten sie nicht wie bisher 404 Mark „Hilfe zum Lebensunterhalt“ pro Monat, sondern 416 Mark, also schlankweg 12 Mark mehr auf die Hand. Mit der 3prozentigen Erhöhung des Regelsatzes liegt Bremen vorn, das machte der Senat mit einer Statistik klar: Mehr als 3% erhöhte keines der Bundesländer, mehr als 416 Mark kriegt man nur in Hamburg (426 Mark) und Berlin (424 Mark)

Über einen kleinen Schönheitsfehler der Erhöhung mochte der Bürgermeister gestern nur ungern reden: Während Anhebungen in Bezügen in aller Regel rechtzeitig beschlossen werden,

zum Beispiel steigen die Diäten für Abgeordnete um 9,5% zum 1.Juli, mußte die Anpassung der Sozialhilfe rückwirkend erfolgen. Wer heute zum Sozialamt geht, erhält nach wie vor den alten Regelsatz - den neuen gibt's frühestens am 1. September, wenn die Sozial- und Finanzdeputationen der Bürgerschaft bis dahin zugestimmt haben. Und dann soll es auch rückwirkend die 24 Mark für Juli und August geben.

Im September vergangenen Jahres war noch anders geredet worden. Ohne Gegenstimme und mit wortreicher Zustimmung auch des Bremer Sozialssenators und Bürgermeisters Henning Scherf hatten die Vertreter der Arbeits- und Sozialressorts der

Bundesländer in Dortmund festgestellt, daß die bisherige Berechnungsgrundlage der Sozialhilfe, der „Warenkorb“, unzureichend ist. Der Warenkorb legt fest, wieviel Gramm Brot und wieviel Achtel Kinokarten pro Woche ein Durchschnitts-Haushaltsvorstand braucht - und danach bestimmt sich der „Regelsatz“. Wobei, wie die „Bremer Aktionsgemeinschaft arbeitsloser Bürger“ sarkastisch anmerkt, ein „Warenkorb für Arme“ und „Aldipreise“ zugrunde gelegt werden. Ein ganz anderes System müsse her, die „Einkommens-und Verbrauchsstatistik“ der unteren Lohngruppen müsse als Bedarfs-Maßstab angelegt werden, um nicht eine Ausgrenzung von

SozialhilfeempfängerInnen zu provozieren. Dieser neue Maßstab hätte im vergangenen September eine 10,9prozentige Erhöhung des Regelsatzes bedeutet, darin waren sich die SozialpolitikerInnen aller Länder einig. Nur das „Abstandsgebot“ des Sozialhilfegesetzes müsse respektiert werden, der Verbrauch von SozialhilfeempfängerInnen müsse um einen Prozentsatz unter dem von LohnempfängerInnen liegen.

Aber die FinanzministerInnen der Länder haben diese Forderung schon Anfang des Jahres vom Tisch gewischt. Bremen unterstützte zeitweilig eine Kompromißposition, die zumindest einen Schritt hin zu den 10,9% vorsah - vergebens. Mit dem „Albrecht„-Plan, die Bonner Kasse an den kommunalen Sozialhilfeleistungen zu beteiligen, kippte die Bereitschaft zu einer Anhebung der Regelsätze über die Preissteigerungs -Rate hinaus.

Und ein Bremer Alleingang im Sinne der hehren Absichtserklä

rungen vom vergangenen September? So etwas sei absolut „unüblich“, interpretiert die für „Wirtschaftliche Hilfen“ zuständige Referentin im Sozialressort, Gertrud Janzer -Bertzbach, die politische Logik der gemeinsamen Länder -Regelungen.

Statt des „Albrecht-Planes“ aber haben verschiedene Bundesländer, unter ihnen Bremen, eine „Struktur-Hilfe“ bekommen. Die Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände forderte vorgestern den Senat auf, Mittel von diesen 132 Millionen Mark (1989) „für bedarfsgerechte Sozialhilfe einzusetzen“, denn dieses zusätzliche Geld war im politischen Zusammenhang der von steigenden Sozialhilfe -Kosten gebeutelten Kommunal-Kassen bewilligt worden. Angemessen wären eigentlich die 10,9%, sagt der Sprecher AG der freien Wohlfahrtsverbände, DRK-Landesgeschäftsführer Peter Galperin. „Auf jeden Fall deutlich mehr als 3 Prozent.“ K.W