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Q U E R S P A L T E Volkseigener Kommerz

■ Die DDR entdeckt die Vorzüge kapitalistischer Sportbetrachtung

In einer konzertierten Aktion haben 'Neues Deutschland‘ und 'Deutsches Sportecho‘ die in jüngster Zeit zu beobachtende Infiltration von DDR-Sportstätten durch westliche Werbung nun ideologisch gerechtfertigt. Nachdem der Einfluß des Kapitals im Sport jahrelang mit Besessenheit gegeißelt wurde, entdeckten die volkseigenen Funktionäre jetzt plötzlich den Kampf zweier Linien im Sportbusiness: „Wir unterscheiden deutlich zwischen den nützlichen Seiten der Kommerzialisierung einerseits und dem kommerziellen Mißbrauch des Sportes andererseits.“ Im Klartext: Gut ist, was dem Sozialismus hilft, alles andere ist Mist. Großer Wert wird darauf gelegt, daß die „Valuta“ aus dem Westen keineswegs in die Kassen der Verbände oder gar in die Taschen der Aktiven fließen, sondern daß „Mittel für unsere Republik“ erwirtschaftet werden. „Den Gewinn hat unser Land.“

Die neo-sozialistische Lehre vom Nutzen des sportiven Mammons eröffnet allerlei neuartige Perspektiven. Die Sprinterin Marlies Göhr wird wohl bald im Strampelanzug von C&A dem Weltrekord der Florence Griffith nachjagen, der BFC Dynamo Berlin könnte schon im Europacupspiel gegen Werder Bremen den Bundesligisten mit der vom DFB untersagten Kondomwerbung erschrecken und die beim Eishockeyclub ECD Iserlohn gescheiterte Ghaddafi-Werbung könnte dem Bezirksligisten „Motoröl Zwickau“ zu ungeahntem Aufschwung verhelfen.

Auch eigene Aktivitäten des für den Sportkommerz zuständigen „VEB Interwerbung“ wären denkbar. Hertha BSC zum Beispiel sucht noch einen Sponsor. Wie wäre es denn mit jenem schönen Spruch, der den Transit von Berlin nach Bayern so vergnüglich beginnen läßt: „Trabant - zuverlässig und elegant.“

Matti Lieske

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