Vergeßt Pearl Harbour - gedenkt Detroits!

■ Stellen Asiaten eine „Modell-Minderheit“ dar oder sind sie ökonomische Sündenböcke?

Sie gelten als überfleißig, an den Universitäten sammeln sie Supernoten ein und im Geschäftsleben sind sie supererfolgreich. Die asiatischen Einwanderer in den Vereinigten Staaten gelten als der Superhit unter den ethnischen Minderheiten, als jüngster Beweis für das Funktionieren des amerikanischen Völker-Schmelztiegels. Anderen Minderheiten wie Schwarzen oder Chicanos werden sie von konservativen Kreisen als Beispiel dafür vorgehalten, daß Minoritäten auch ohne staatliche Schutzquota und kostspielige Wohlfahrtsprogramme erfolgreich sein können. Besonders in Kalifornien prägen asiatische Einwanderer immer stärker das Stadtbild der Metropolen wie Los Angeles oder San Francisco. In immer mehr Schulen stammt die Mehrheit der Auszubildenden aus Südostasien. Schon fragt man sich in den Medien, wie weit der Vormarsch der Asiaten noch gehen wird.

Die Realität für die Immigranten aus Asien sieht jedoch recht anders aus. San Franciscos Chinatown mit seiner jahrzehntelangen Geschichte von politischer und sozialer Diskriminierung mag da nur ein Beispiel für andere Einwanderergruppen aus Südostasien sein. 110.000 Japaner wurden im Zweiten Weltkrieg als Reaktion auf die Bombardierung Pearl Harbours interniert und erhielten erst vor einigen Monaten eine Entschädigung zugesprochen. Die Erfahrungen von Asiaten in den Vereinigten Staaten sind so verschieden wie die Bedingungen in den Ländern, aus denen sie ausgewandert oder geflohen sind.

Die signifikantesten Erfolge errangen sie an den Universitäten: Unter Asiaten ist der Bevölkerungsanteil mit College-Abschluß doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung, Talentsucher aus der Wirtschaft werden vor allem unter asiatischen Studenten fündig. Doch dies täuscht darüber hinweg, daß die wirtschaftlichen Erfolgsstories auf bestimmte Bereiche beschränkt sind Bereiche, in denen es auf die kostenlose Mithilfe möglichst vieler Familienmitglieder ankommt. Koreaner beherrschen die kleinen Lebensmittelläden in Städten wie New York oder Los Angeles, kalifornische Motels werden häufig von Indern betrieben, und Vietnamesen dominieren die Krabbenfischerei vor der texanischen Küste.

Gerade die Vietnamesen können ein Lied davon singen, wie ihnen rassistische Vorurteile entgegenschlugen, als ihr Einfluß zu groß zu werden schien. Die diffuse Angst vor Überfremdung durch Latinos und Asiaten hat auch in Kalifornien dazu geführt, daß vor zwei Jahren per Referendum English als „offizielle Staatssprache“ eingeführt wurde, so daß alle staatlichen Formulare, Dokumente oder Stimmzettel nur noch in englischer Sprache abgefaßt sind.

Bisweilen schlagen die Ressentiments in Gewalt um. Das Schicksal Vincent Chins, eines Chinesen in der von japanischer Konkurrenz gebeutelten Autometropole Detroit, der 1982 von zwei amerikanischen Autoarbeitern erschlagen wurde, ist unter Asiaten wohlbekannt. Immer häufiger machen Asiaten in den USA die Erfahrung, daß sie die wirtschaftlichen Erfolge ihrer Herkunftsländer mit Haß und Diskriminierung in ihrer neuen Heimat bezahlen müssen. Auf Autoaufklebern lesen sie Sprüche wie „Wenn Du ein japanisches Auto fährst, kannst Du Dich ja um japanisches Arbeitslosengeld bemühen“ oder „Vergeßt Pearl Harbour gedenkt Detroits“.

Stefan Schaaf