Ne Wins Lakai an der Macht

■ Sein Lwin zum neuen Parteichef und Staatspräsidenten von Birma gewählt Weichen für wirtschaftliche Reformen und innenpolitische Repressionen gestellt

Rangun (ap/afp/taz) - Auf einer Dringlichkeitssitzung des Parlaments in Rangun ist Birmas neuer Parteichef Sein Lwin (68) am Mittwoch auch zum Staatspräsidenten des Landes gewählt worden. Damit hat sich die bisherige Nummer vier in der Parteihierarchie eben jene Doppelfunktion als Partei und Staatschef gesichert, die sein Vorgänger, der „starke Mann“ von Birma, mit dem Amt des Präsidenten bereits 1982 aufgegeben hatte.

Die Hoffnungen auf weitreichende Reformen, wie die Aufhebung des Einparteiensystems und eine Liberalisierung der Wirtschaft, sind damit vorerst zerschlagen. Als am 18.März 1988 Tausende Studenten in Rangun auf die Straße gingen und regierungsfeindliche Parolen an die Wände schrieben, war er es, der den Schießbefehl auf die Demonstranten erteilte. Seit 1962, als das Militär unter Ne Win unblutig an die Macht putschte, war Sein Lwin für die Unterdrückung der Opposition verantwortlich. Er kommandierte auch jene Armee-Einheit, die bereits im Juli 1962 22 Studenten wegen regierungsfeindlicher Proteste tötete. Als die Regierung vor einer Woche zugab, daß bei den März -Unruhen 41 Menschen in einem Lastwagen auf dem Weg zum Gefängnis bei sengender Hitze erstickt sind, sahen westliche Beobachter die Tage des Generals gezählt.

Statt dessen reichte der längst überfällige 77jährige Parteichef Ne Win seinen Rücktritt ein, um seinen treuen Gefolgsmann an der Staatsspitze zu etablieren. Am Montag wurde in einem Kommunique des Staatspräsidiums die Ablösung von Ministerpräsident Maung Maung Kha und Justizminister Myint Maung bekanntgegeben, die für die Juni-Unruhen verantwortlich gemacht wurden. Maung Maung Kha war schon von verschiedenen Beobachtern als möglicher Ne-Win-Nachfolger gehandelt worden, da er eine liberale Linie vertrat und ein Sonderparteitag der birmanischen Sozialistischen Programmpartei gerade erst Wirtschaftsreformen mit größeren Freiheiten für einheimische und ausländische Investoren verabschiedet hatte.

Der Öffnung der Handelsbarrieren und Zulassung von Auslandsinvestitionen wird Birma sich auf Druck seiner Geberländer auch nicht länger widersetzen können. Hinter Japan leistet die Bundesrepublik mit jährlich 50 Millionen die zweitgrößte bilaterale Finanzhilfe. Investitionsschwerpunkte liegen auf der Modernisierung der Energieversorgung und der Industriebetriebe. Wenn der „Reiskorb Asiens“ sich nicht bereiterklärt, die 50 Jahre alten Produktionsmaschinen zu ersetzen, drohen die Geberländer, ihre im Dezember zugestandenen Schuldenerlasse zurückzunehmen. Darüber hinaus erwartet man eine Abwertung der Landeswährung von sechs Kyat gegenüber dem US-Dollar auf den realistischeren Schwarzmarktwert von etwa 40 Kyat zum Dollar.

Die mit der notwendigen ökonomischen Öffnung einhergehenden politischen Reformen sind vorerst vereitelt. Unter der Einparteienherrschaft der BSPP ist jegliche organisierte Opposition verboten. Sein Lwin gilt als Garant dafür, daß der staatliche Kontrollapparat wohl auch künftig jede Form von Protest unterdrücken wird.

sl