Vernebelungsstrategie

Der schrille Streit quer durch die Parteien um den Beitrag der Beamten zur Altersversorgung  ■ K O M M E N T A R E

Bei Argumenten im Handgemenge geht es, so sagt bekanntlich Marx, nicht um ihre Richtigkeit, sondern darum, daß sie treffen. Aber das sommerliche Handgemenge um die Renten- und Pensionsfrage wirkte so, als ob Blinde-Kuh-Spieler sich im Nahkampf üben. Daß die Positionen quer durch die Parteien gingen, zeigt die Bedeutung der Frage; aber wie die (Presse-Erklärungs-) Positionen formuliert wurden, zeigt ein erschreckendes Maß an Inkompetenz und/oder demagogischer Verwahrlosung der Politiker; zeigt darüberhinaus, wie dürftig die parteipolitischen Optionen angesichts politischer Grundsatzfragen sind.

Daß die Beamtenlobby im Verein mit CSU, Justizminister Engelhard und dem DGB die Frage des Beitrages von Beamten an ihrer Altersversorgung zu einer Gefahr für unsere freiheitliche verbeamtete Grundordnung hochstilisierten, gehört zur Methode, durch schrille Töne von eigenen Blöße abzulenken. Denn das obrigkeitsstaatliche Beamtensystem das Tauschverhältnis Sicherheit gegen Loyalität - ist anachronistisch. Der Staat und gar die Gesellschaft brauchen keine Lehrer- und Postbeamten, um den öffentlichen Dienst zu garantieren; die Beamten wiederum sind immer weniger geneigt, um der obrigkeitsstaatlichen Ideologie willen auf das Streikrecht zu verzichten. Wenn nun zur Finanzierungsproblematik aller anderen sozialen Sicherungssysteme die Bevölkerung zur Kasse gebeten, aber das Beamtensystem ausgespart wird, bedeutet das eine neuerliche Privilegierung der Beamten, eine Verschärfung der sozialen Ungerechtigkeit. Sie ist durch nichts, weder historisch noch politisch gerechtfertigt. Tatsächlich gibt es einen überparteilichen Konsens, Beamte an ihrer Altersversorgung „irgendwie“ zu beteiligen. Die schrillen Töne der Debatte zielen also nicht auf eine Klärung der Grundsätze, sondern auf eine Irritierung der Öffentlichkeit, um dann in Ruhe die Kompromisse in Elefantenrunden und Lobbykonferenzen auszuhandeln.

Auf einem anderen Blatt steht die Frage der Rentenfinanzierung. Auch hier wird demagogisch mit dem finanziellen Zusammenbruch gespielt. Der sogenannte „Altenberg“ stehe einem immer geringeren demographischen Anteil von arbeitenden Beitragzahlern gegenüber. Übersehen wird in dieser demographische untermauerten Drohung der Anteil an ausländischen Beitragzahlern und die Zunahme der Erwerbstätigkeit der Frauen; übersehen wird jedoch vor allem die Gefährdung der Rentenversicherung durch den hohen Anteil der Arbeitslosen. Aber: den logischen Zusammenhang von Rentenfinanzierung und Beschäftigungspolitik galt es offensichtlich in dieser Debatte zu verwischen - unter Teilnahme der Gewerkschaften.

Grundfragen und Existenzängste werden aufgerührt, um kleine koalitionspolitische Geländegewinne zu erlangen und Lobbyinteressen zu honorieren. Dieses parteipolitische Rententheater zeigt, daß die Parteien selbst die größte Gefahr für die Rentenfinanzierung sind. Sie akzeptieren, daß der hohe Anteil der Arbeitslosen als Naturereignis erhalten bleibt.

Klaus Hartung