„Hier wird Demokratie beeinträchtigt“

Theodor Eschenburg, 83jähriger Nestor der deutschen Politikwissenschaft, über Politik- und Politikerfinanzierung  ■ I N T E R V I E W

taz: Anläßlich des Diäten-Debakels im hessischen Landtag haben Sie den Vorschlag gemacht, eine vom Bundespräsidenten einzuberufende „Kommission von Autorität“ einzurichten. Wie könnte das funktionieren?

Prof.Eschenburg: Nun, es gibt doch eine ganze Reihe früherer Bundestagsabgeordneter, die als Einzelpersönlichkeiten überzeugt haben und Autorität hatten. Ich denke da zum Beispiel an Höcherl von der CSU oder an den früheren Minister und späteren Bundestagsvizepräsidenten Leber.

Sie sagen nun, an einem solchen Vorschlag, der zwar nicht bindend sein soll, aber doch eine Art öffentlicher Maßstab für Abgeordnetenbezüge wäre, könnten sich die Parteien nicht leicht vorbeidrücken. Sinn unsere Politiker ohne solchen öffentlichen Druck einfach hemmungslos?

Ich würde nicht sagen, daß sie hemmungslos sind. Aber der Verdacht in weiten Kreisen der Bevölkerung, daß einer befangen ist, wenn er in seinen eigenen Angelegenheiten entscheidet, der ist nicht von der Hand zu weisen.

Steht es jetzt an, zur Finanzierung von Politik als einer besonderen Leistung für die Gesellschaft ein neues Modell zu erfinden?

Genau das habe ich ja getan. Ich habe ja gesagt, der Staat muß die gesamte Finanzierung der Parteien übernehmen, und die Spenden der Wirtschaft, aber auch der Gewerkschaften müssen unterbunden werden. Und das ist ja wohl ein neues Modell.

Werden damit nicht alle Parteien Staatsparteien?

Aber entschuldigen Sie mal, wir haben doch heute eine ganze Reihe von Zuwendungsempfängern, entweder überwiegend aus staatlichen Mitteln oder sogar ganz. Nehmen Sie beispielsweise die Max-Planck-Gesellschaft. Man kann aber doch von der nicht sagen, daß sie Staats- oder Regierungspolitik betreibt.

Wie die Parteispendenaffären gezeigt haben, hat die Finanzierung durch Zuwendungen - sei es von Großunternehmen oder auf der anderen Seite von Großverbänden - zu einer ganzen Reihe von Unzuträglichkeiten geführt. Also muß ich mir überlegen, wie ich das institutionell abstelle, das heißt: wie gebe ich den Parteien einerseits Geld und mache sie gleichzeitig unabhängig von großen Parteispenden. Ich weiß gar nicht, ob die Parteispenden einen so großen Einfluß haben auf die tatsächliche Politik, aber der Verdacht als solcher besteht, und das genügt mir.

Es gibt einen weiteren Verbesserungsvorschlag, nämlich die Diätenerhöhungen zu koppeln mit den Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst. Was halten Sie davon?

Das haben wir ja schon mal gehabt, in den fünfziger Jahren, glaube ich. Da kann ich nur sagen - und das habe ich damals schon -, es gibt keinen besseren Motor für die Beamtengehaltserhöhungen als diese Koppelung.

Haben Sie Sorge, daß der Verdruß der Bürger über solche Mißstände wie die Finazierung von Politikern und Parteien eine besondere Gefahr sind für die Demokratie?

„Besondere Gefahr“ finde ich zu dramatisch. Aber hier wird Demokratie beeinträchtigt, und das sogar auf einem Gebiet, wo es gar nicht notwendig ist. Vom Taxifahrer, in der Eisenbahn oder wenn Sie in einen Laden gehen, da hören Sie immer wieder diese Geschichten. Und wenn ich derartiges Unbehagen, das sich ja auch verbreitern und steigern kann, isolieren und bremsen kann, dann tue ich das. Und ich bekämpfe da auch noch etwas weiteres: Die Parteien - ohne Unterschied, wenn auch in verschiedenen Ausmaßen - erheben von ihren Abgeordneten für die Fraktion und für die Partei Sonderbeiträge. Dabei sind die Diäten gesetzlich unpfändbar und dafür da, daß der einzelne Abgeordnete ein gewisses Auskommen hat. Wenn die Diäten aber zur indirekten Parteifinanzierung benutzt werden, dann ist das ein Unfug.

Georgia Tornow