Haftstrafen für 'Mladina'-Redakteure

Erstes Militärgerichtsverfahren in Jugoslawien gegen Zivilisten seit 1945 / Putschberichte bringen drei Journalisten und angeblichen Informanten bis zu vier Jahre Knast ein / 15.000 gehen spontan auf die Straße  ■  Von Roland Hofwiler

Berlin (taz) - Kaum waren wegen angeblichem „Verrat von Militärgeheimnissen“ gestern um 14 Uhr dreißig die Urteile gegen drei 'Mladina'-Journalisten und einen Feldwebel gefallen, strömten in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana die Menschen auf die Straße. In wenigen Minuten sollen sich über 12.000 Menschen vor dem Prozeßgebäude versammelt haben, um Freiheit für die Verurteilten zu fordern. Die Urteile lauten auf vier Jahre Militärhaft für den Feldwebel Ivan Borstner, jeweils eineinhalb Jahre für den KP -Jugendfunktionär Janez Jansa und 'Mladina'-Chefredakteur Franci Zavrl.

Mit fünf Monaten kam der innenpolitische Redakteur der Wochenzeitschrift davon, der in Osteuropa der Ruf vorausgeht, das aufmüpfigste Politblatt zu sein. Ihnen war vorgeworfen worden, in der Ausgabe vom 13.5. unter dem Titel „Die Nacht der langen Messer“ Pläne der Militärs, in Slowenien gegen den Reformfrühling gewaltsam vorzugehen, aufgedeckt zu haben.

'Mladina‘ gewährt seit Jahren Dissidenten, Friedens- und Umweltgruppen Raum für kontroverse Diskussionen. Der Zentralregierung in Belgrad war seit langem ein Dorn im Auge, da über das Blatt unliebsame Schriftsteller, Reformökonomisten und Leute aus der Alternativbewegung ihre Kritik an den dogmatischen Zuständen im Lande unzensiert äußern konnten. So strahlte gestern der alternative Radiosender „Radio Student“ neben Punkmusik Live-Reportagen von der spontanen Demonstration, die sich nach Bekanntwerden der Urteile in der... Fortsetzung auf Seite 2

Ljubljanaer Innenstadt gebildet hatte. In Sprechchören skandierten tausende Arbeiter, Studenten und gar Parteimitglieder: „Wir lassen unseren Frühling von niemanden kaputtmachen“, „Militärs geht heim“ und „Janez Jansa for President“.

Über die Einzelheiten des Urteilsspruchs wurde der taz bis Redaktionsschluß nichts bekannt, da der Prozeß, der am 18.Juli begonnen hatte, unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfand. Der Prozeß war sogar in Parteikreisen umstritten. Kommunistische Staatsanwälte hatten gegen diesen ersten Militärprozeß, der seit Kriegsende in Jugoslawien gegen Zivilisten eingeleitet wurde, als mit dem Gesetz unververeinbar erklärt.

Welche Auswirkungen der Urteilsspruch auf die jugoslawische Innenpolitik haben wird, wird sich erst in den nächsten Tagen zeigen.