"No fun" in Würzburg-betr.: "Diskussionsverbot in Würzburg", taz vom 26.7.88

betr. „Diskussionsverbot in Würzburg“, taz v. 26.7.88

„Würzburg macht Spaß“ signalisiert der Slogan eines „stadtoffiziellen Bapperls“, das auf dem WÜ-Autoblech zahlreicher „freie Fahrt für freie Bürger„-Karossen prangt. Aber nicht nur jene, die diesen „Spuki“ demonstrativ neben, oder über ihre WÜ-Autonummer geklebt haben, auch eine mehr oder weniger indifferente Anzahl Würzburger citoyens haben „Spaß“ daran, wie vom Rathaus- und Domturm der Stadt, hier mit demokratischen Freiheiten umgegangen wird. Mangels einer breiten Gegenöffentlichkeit - den Redaktionen der hiesigen Provinz-Tageszeitungen fehlt meist der Mut zur Pressefreiheit - haben es die institutionellen „Spaßmacher“ allzu leicht, und da hört, so meine ich, der Spaß auf.

Bei der verbotenen Diskussionsveranstaltung der Lupus -Gruppe zur Situation nach den Schüssen an der Startbahn -West und der sich anschließenden Polizei-Abriegelung zum Eingang des Büros der GRÜNEN in Würzburg, handelte es sich nicht um einen einmaligen Vorgang polizeilicher Repession, (...).

In CSU-klerikalem Demokratieverständnis artete schon zur Zeit der Bundestagswahl 87 die Schmutzkampagne der katholischen Kirche gegen die GRÜNEN hierorts zu einem „off limits“ für das Veranstaltungslokal des Kolpinghauses (Diözesanvorsitzender des Kolpingwerkes ist Prof. Dr. Paul Ludwig Weinacht) aus. Angesichts der finanziellen Malaise der städtischen Finanzen, auf einem Flugblatt zu fragen: „Was macht die Stadt mit unserem Geld“ führt zu einem Polizei-Einsatz mit ED-Behandlung der FlugblattverteilerInnen. Der dumpfe Zeitgeist in einer „feiheitlichen demokratischen Grundordnung“ erlaubt weder Meinungen Andersdenkender zu politischen Themen und schon gar nicht zu religiösen Dogmen. Dieses, ebenso wie die Anprangerung einer polizeilichen Schwulenhatz, führt zu Anklagen vor den Gerichten.

Vermutlich hätte Erich Fried (...) zu all diesen Vorgängen geantwortet: „Ist eine Demokratie, in der man nicht sagen darf, daß sie keine wirkliche Demokratie ist, wirklich eine wirkliche Demokratie?“

K.-H. Klaiber, Würzburg