Der automatische Bundesbürger

■ Der DDR-Aussiedler und Schwimm-Weltrekordler Jens-Peter Berndt wurde vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) als Bundesbürger anerkannt und darf zu den Olympischen Spielen nach Seoul reisen

Berlin (taz) - Jetzt darf er also starten in Seoul, der Schwimmer Jens-Peter Berndt. Sportlich qualifiziert hatte er sich ja sowieso, bei den Deutschen Meisterschaften (West) in Karlsruhe, mit einem DSV-Rekord über 400 m Lagen: 4:21,40 Minuten. Er war allerdings schon mal schneller, bei seinem Weltrekord in Magdeburg am 23.Mai 1984 beispielsweise. Damals schwamm er 4:19,61, als DDR-Bürger allerdings. Und deshalb mußte Berndt nun, dem Karlsruher Wasser entstiegen, erst einmal kräftig bibbern.

Zwar sieht eine Regel des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) vor, daß Sportler nach drei Jahren neuer Staatsbürgerschaft für ein anderes Land startberechtigt sind, doch der heute 24jährige hatte sich 1985 in Oklahoma City von der DDR-Mannschaft abgesetzt und war danach im Land der unbegrenzten Möglichkeiten geblieben. US-Bürger wollte er werden, für die 'Stars and Stripes‘ bei Olympia starten, zwei Jahre mühte er sich vergeblich um einen Paß. Dann mußte er wie der Tennismillionär Ivan Lendl, der schon länger um die Staatsbürgerschaft ansteht, feststellen, daß weder Dollars noch Bekenntnis zur Freiheitsstatue die Herzen der US-Behörden erweichen.

Im vergangenen Jahr kam Berndt frustriert nach Hamburg, um als Deutscher (West) seine Korea-Reise zu betreiben. Hier mußte er sich über die Regelung des IOC aufklären lassen. Es gibt wohl als Ausnahme die Möglichkeit, daß Sportler auch vom Nationalen Olympischen Komitee nominiert werden können, dann aber müßte das DDR-NOK zustimmen, und das hatte es in vergangenen Fällen noch nie getan.

So hatte es im Fall des Diskus-Werfers Wolfgang Schmidt, im vergangenen Jahr in die BRD gekommen, bereits Streit um den Start beim deutsch-deutschen Leichtathletikvergleich in Düsseldorf gegeben. Ein SED-Funktionär hatte da gemurrt: „Wenn ein ausgebürgerter Ghanese in die BRD kommt, kann er auch nicht ein halbes Jahr später als Deutscher im DLV-Team starten.“

Es war also klar, daß es auch um den Schwimmer Berndt einigen Rummel geben würde, und sein Trainer Jürgen Greve meinte während der Meisterschaft in Karlsruhe: „Als der 1,95 -m-Riese von den Problemen um ihn hörte, wurde er so klein, daß er unter dem Teppich Rollschuh fahren konnte.“ Seit Dienstag kann er wieder zu wahrer Größe wachsen: das IOC gab ihm die Startberechtigung für Seoul, die DDR braucht jetzt nicht mehr gefragt werden.

Wer die DDR verlasse, ob Oklahoma oder Wanne-Eickel, werde automatisch Bundesbürger, war die Argumentation des BRD-NOK. Nach Prüfung diverser Rechtsgutachten schloß sich das IOC dieser Logik an. „Ganz im Sinne der IOC-Regeln und nach dem Buchstaben des internationalen Rechts“, freute sich Alt Olympier Willi Daume.

-thöm