Italien kämpft mit Tempolimit

Ausländer dürfen ungestraft noch einige Zeit weiter rasen / Innenpolitisch gehen Auseinandersetzungen um 110km/h weiter / Italienische Lastwagenfahrer drohen mit Streik  ■  Aus Rom Werner Raith

Im Auswärtigen Amt scheint der Streit vorerst beigelegt: Italiens Behörden haben versprochen, die neue 100km -Höchstgeschwindigkeitsverordnung per Handzettel und großen Schildern an den Grenzen auch dem letzten bundesdeutschen Raser klarzumachen sowie noch ein paar Tage milde zu verfahren, wenn einer aus Unkenntnis das Limit übertritt. Trotzem forderte der stellvertretende Vorsitzende der CSU -Landesgruppe in Bonn, Dionys Jobst, noch am Mittwoch eine „harte Reaktion“ der Bundesregierung. Durch diesen „Handstreich der Italiener“ werde die Frage einer Autobahngebühr für Ausländer wieder „hochaktuell“.

Im Land des neuen Tempolimits gehen die innenpolitischen Auseinandersetzungen weiter. Während der Minister für öffentliche Arbeiten, Enrico Ferri - der gemeinsam mit Transportminister Giorgio Santuz Erfinder des Dekrets ist -, die „Säuberung unserer Straßen von Rasern“ verteidigt und auf die rapide Abnahme schwerer Verkehrsunfälle verweist, muffeln selbst Regierungsmitglieder wie etwa der Staatssekretär im Transportministerium Angelo Cresco über die neue Vorschrift: Sie verlangsame den sowieso im Sommer schon langsamen Verkehr noch mehr und - so meint er anscheinend im Ernst - „manch einer bastelt einen Auffahrunfall nur, weil er so angestrengt auf den Tacho starrt“.

Tatsache ist, daß Italiens Autobenutzer sich erstmals einer ganz neuen Situation gegenübersehen: Die Polizei kontrolliert den fließenden Verkehr. Wer bisher herausgewunken wurde, sah sich meist nur einer Überprüfung seiner Papiere ausgesetzt. Um Geschwindigkeit, Mißachtung der Vorfahrt, fehlenden Bremsabstand haben sich die Ordnungshüter bisher kaum gekümmert. Zusätzlich waren die Strafen bei Mißachtung der Regeln überaus gering - kaum sieben Mark bei Parken im absoluten Halteverbot, kaum dreißig Mark bei Überholen trotz Verbots. Führerscheinentzug ist erst im neuen Straßenverkehrsgesetz vorgesehen, alkoholisierte Fahrer müssen erst kommendes Jahr mit Strafen rechnen.

Minister Ferri und sein Kollege Santuz scheinen jedenfalls auf den Geschmack gekommen zu sein: Für die nächsten Wochen kündigten sie weitere „Schritte in Richtung auf mehr Disziplin und damit mehr Sicherheit auf den Straßen an“. Dabei wollen sie sich auch mit den italienischen Lastwagenfahrern anlegen. Sie, die mit ihrer bisher nie wirklich kritisierten permanenten Übertretung der Höchstgeschwindigkeit (80km/h) und ihren oft rücksichtslosen Überhol- und Einschermanövern mehr als die Hälfte der Schwerstunfälle zu verantworten haben, drohen bereits jetzt mit Streik. Den letzten einschlägigen Versuch hatte die Regierung Craxi 1986 unternommen - er scheiterte nach zwei Monaten totalem Versorgungsstreik der LKW-Fahrer.