Aids und Kirche: Jesus würde sich im Grabe umdrehen

Berlin (taz) - Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat in einer 19seitigen Broschüre ihre Position in Sachen Aids formuliert. Herausgekommen ist eine passagenweise engagierte Schrift gegen Diffamierung und Ausgrenzung, garniert mit übelsten reaktionären alttestamentarischen Rundschlägen.

Weil es innerhalb der EKD keinen einheitlichen Standpunkt gibt, seien verschiedene Meinungen in das Aids-Papier eingeflossen, beschied EKD-Sprecher und Oberkirchenrat Hoppe. Das führte zu kurios-widersprüchlichen Aussagen. So wird einerseits heftig vor Schuldzuweisungen gewarnt, andererseits ist auf Seite 6 der Broschüre zur „schwierigen Diskussion über einen Zusammenhang von Krankheit und Schuld“ das Gegenteil zu lesen:

„Ein möglicher Zusammenhang zwischen persönlicher Schuld und Krankheit darf jedoch auch nicht geleugnet werden. Der biblisch bezeugte Zusammenhang von menschlischer Verfehlung und Gottes Gericht kann nicht in der Schwebe bleiben oder aufgegeben werden. (...) Darum ist in dieser Situation behutsame seelsorgerische Zuwendung notwendig, damit im Glauben Schuld erkannt und Vergebung erfahren werden können“.

Auf Seite 4 wird wiederum kritisiert: „Die öffentliche Diskussion ist stark von moralischen Herabsetzungen belastet“.

In Sachen Sexualität definiert die EKD Sex zunächst als „eine gute Gabe Gottes“. Die gute Gabe wird allerdings auf die Ehe reduziert: Ziel der evangelischen Sexualethik sei „eine gelebte und erfüllte Sexualität in der dauerhaften Partnerschaft der Ehe“.

Es wird eingeräumt, daß die Menschen zu keiner Zeit ihre Sexualkontakte auf diese dauerhafte Partnerschaft beschränkt haben. Deshalb könne sich die Kirche auch nicht mit ihren ethischen Forderungen zufriedengeben. Die Anerkennung der gesellschaftlichen Realitäten mündet hier in die Befürwortung des Kondom-Einsatzes.

Zur Homosexualität schweigt sich die EKD weitgehend aus. Auf Seite 7 wird allerdings auf die Hauptbetroffenen-Gruppe der Homosexuellen eingegangen, die von der EKD mit geschickter Formulierung zum Aids-Test geschickt werden: „Viele Christen haben die Aufgabe erkannt, diesen Menschen ... Mut zu machen, sich dem freiwilligen HIV-Test nicht länger zu verschließen.“ Weiter bekundet die EKD „Achtung und Anerkennung“. Allerdings nicht gegenüber den Infizierten, sondern gegenüber jenen, die sich um ihre Betreuung kümmern.

Das EKD-Papier soll als Orientierungshilfe allen Pfarrern und Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden.

Manfred Kriener