Neues Weserwehr ohne Kraftwerk geplant

■ Genau ein Jahr nach dem Abriß des Hastedter Wasserkraftwerks sprechen die Indizien gegen einen Neubau Grundsatzbeschluß der Stadtwerke zwar dafür, Bauplanungen für das neue Wehr sehen Kraftwerk jedoch noch nicht vor

Heute, auf den Tag genau vor einem Jahr, flogen die ersten Ziegeln vom Dach des Hastedter Wasserkraftwerks in die Weser. Die Abbrucharbeiter hatten es eilig, denn der Protest einer „Bürgerinitiative Weserkraftwerk“ hatte im Sommerloch des vergangenen Jahres Furore gemacht. Persönlich hatte Bürgermeister Wedemeier in mehrstündigen Gesprächen versucht, die Abriß-GegnerInnen von dessen Notwendigkeit zu überzeugen. Jetzt, ein Jahr danach, sind von dem alten Kraftwerk nur noch die Fundamente erhalten, und bei Ebbe tauchen Abbruchreste aus der Unterweser auf. Auch um das vor dem Abriß von den Stadtwerken als Ersatz in Aussicht gestellte neue Weserkraftwerk steht es nicht gut.

Wenn im August mit dem Bau eines neuen Wehrs 150 Meter unterhalb der 80 Jahre alten und nach Messungen der Bundesanstalt für Wasserbau baufälligen Schwelle zwischen Mittel- und Unterweser begonnen wird, dann weisen die Bauzeichnungen zwar eine „Optionsfläche Kraftwerksneubau“ aus, die Stadtwerke sehen allerdings keinen Grund, schon jetzt eine Entscheidung über den Neubau zu fällen. „Die gleichzeitige Abwicklung von zwei so umfangreichen Bauprojekten wie dem neuen Wehr und einem neuen Kraftwerk wäre sehr problematisch“, begründet Stadtwerke –Pressesprecher Wies.

Dem widerspricht allerdings der für das Weserwehr zuständige Leiter der Bundesbehörde „Wasser- und Schiffahrtsamt“, Jan Dirksen. Ein gleichzeitiger Bau sei sogar sinnvoll, da ansonsten ein neuer Fischpaß und die entsprechende Landschaftsgestaltung wieder umgegraben werden müßten. Und auch die Strömungsversuche im hanoverschen Franzius-Institut sprachen nicht gegen einen gleichzeitigen Bau von Wehr und Kraftwerk.

Grundsätzlich hatte der Stadtwerke-Aufsichtsrat zwar schon im Dezember 1986 einen Neubau als Ersatz für das abgerissene Hastedter Wasserkraftwerk beschlossen. Doch die Zustimmung zu der 81-Mio-Marks-Investition machte er von der Gewährung eines Bundeszuschusses für „regenerative Energien“ abhängig. Denn weder werde der umweltfreundlich gewonnene Strom zur Zeit gebraucht, noch sei ein ohne Zuschuß finanziertes Wasserkraftwerk betriebswirtschaftlich rentabel. Eine endgültige Entscheidung sei aber sowieso erst 1990 notwendig, wenn der erste Bauabschnitt des neuen Weserwehrs fertiggestellt sei.

„Mit einem Baubeginn ist nicht vor 1992 zu rechnen“, schreibt auch Jan Dirksen in einem Fachaufsatz, denn zuvor „wäre ein eigenes Planfeststellungsverfahren durchzuführen“. Allerdings müßten die Stadtwerke „bei ihren Planungen vom Bauablauf für das neue Wehr ausgehen und gegebenenfalls Vorleistungen erbringen“. Gemeint ist damit die Tatsache, daß die für das Wehr zuständige Bundesbehörde bei ihren Bauplanungen nur Rücksicht auf eventuelle Kraftwerk-Bauten nehmen kann, wenn diese auch rechtzeitig vorgestellt werden. Je weiter der Neubau des Wehrs fortgeschritten ist, desto teurer würde eine Umstellung der Planungen für den Bau des Kraftwerks. Schon jetzt weist die detaillierte Bauplanung des neuen Wehrs an der „Optionsfläche Kraftwerksneubau“ einen Fischpaß, zahlreiche Bäume und einen Wirtschaftsweg aus (vgl. Grafik).

Knapp ein Prozent des in Bremen verbrauchten Stroms kam noch vor einem guten Jahr aus den zehn Turbinen des 1912 gebauten Weserkraftwerks. Mit neuer Technik ließe sich der Nutzungsgrad der Weser-Strömung sogar noch steigern. Zwar wäre auch dann die Leistung noch nicht mit dem neuen Hastedter Kohlekraftwerk zu vergleichen, dafür würde ein neues Wasserkraftwerk aber auch kein einziges Gramm Schwefel in die Luft blasen.

Dirk Asendorpf