Neue Vorwürfe wegen Palme-Mord

Vor dem Verfassungsausschuß des schwedischen Reichstags erhebt Privatfahnder Carlsson schwere Vorwürfe gegen Sicherheitspolizei: Sie soll wichtige Hinweise unterdrückt haben  ■  Aus Stockholm Reinhard Wolff

Mit neuen heftigen Vorwürfen an die Adresse der Sicherheitspolizei (SÄPO) haben am Mittwoch und Donnerstag die Anhörungen vor dem Verfassungsausschuß des schwedischen Reichstags begonnen. Die Anhörung soll juristische Fragen um die parallele Palme-Mordfahndung klären. In diesem Zusammenhang mußte Justizministerin Anna-Greta Leijon vor sechs Wochen zurücktreten, denn sie hatte die private Fahndung gedeckt. Die neuen Angriffe kamen vom Privatfahnder Ebbe Carlsson und - in verklausulierter Form - vom ehemaligen Leiter der offiziellen Fahndung, Hans Holmer.

Letzterer beschränkte sich darauf, seine Verwunderung darüber zum Ausdruck zu bringen, daß ihm wichtige Erkenntnisse vorenthalten worden und die Ermittlungen im Mordfall Palme unter seinem Nachfolger nur mit halber Kraft betrieben worden seien. Der Privat-Fahnder Ebbe Carlsson dagegen startete einen direkten Angriff: Weder ein vor dem Mord von der Polizei abgehörtes Telefongespräch mit deutlichen Hinweisen auf das bevorstehende Attentat sei von der SÄPO an Palme oder dessen Kabinett weitergegeben worden, noch die Tatsache, daß tagelang ein bekannter Angehöriger der Kurdischen Arbeiterpartei PKK beim Observieren von Palmes Wohnung beobachtet worden sei.

Carlsson ist überzeugt, daß in Schweden lebende Exil-Kurden Palme im Auftrag der iranischen Mullahs umbrachten, die den sozialdemokratischen Regierungschef wegen seiner Vermittleraktion im Golfkrieg und als vermutetes Hindernis für schwedische Waffenlieferungen an Teheran aus dem Weg haben wollten. Eine ähnliche Hypothese hatte auch der wegen Erfolglosigkeit und wegen krasser Rechtsbrüche anderthalb Jahre nach dem Mord zurückgetretene Fahndungschef Hans Holmer vertreten.

Die Verhöre vor dem Verfassungsausschuß zeigten die Zusammenarbeit von Polizei und privaten Fahndern. In der Wohnung von Ebbe Carlsson - so ergaben mehrere Aussagen trafen sich immer wieder die Spitzen des schwedischen Polizei-Apparats und diskutierten über den Palme-Mord. Ein leitender Staatsanwalt, der auch dabei sein durfte, berichtete von seiner Verwunderung darüber, daß Carlsson unwidersprochen Anspielungen an Schwedens Polizeichef geben konnte. Der bis vor kurzem in Sachen Palme-Mord zuständige Chef des Geheimdienstes klagte, Ebbe Carlsson habe wesentlich leichter und häufiger Zugang zu den Spitzen der Regierung gehabt als die amtlich zuständigen Vertreter.

In einer Frage wurde dank eines der Statements von Ebbe Carlsson diese Woche Klarheit geschaffen: Die Frage seiner Homosexualität, zu der er sich vorbehaltlos bekannte. In den letzten Tagen waren hierzu Gerüchte seitens der polizeilichen Ermittler ausgestreut worden, die von der Presse begierig breitgewalzt wurden. Andeutungen über eine homosexuelle Freundesgruppe, zu der neben Holmer auch andere Beteiligte gehört werden sollten, machten die Runde. Die Vorsitzenden von zwei bürgerlichen Parteien sprachen von der Notwendigkeit, diese Frage genau zu klären. Ist Homosexualität an sich immer noch gut für den Versuch, einen „Skandal“ daraus zu machen? Zwei Monate vor Wahlen allemal.