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518 Spanier gegen ihre Luftwaffe

5.000 Hektar Land des kleines Dorfes Anchuras im spanischen Gebiet La Mancha sollen einem Schießplatz der spanischen Luftwaffe zum Opfer fallen / Die Einwohner wehren sich gegen das Übungsgelände  ■  Aus Madrid Antje Vogel

Der Tag hatte spannend begonnen für Santiago Martin. Am Morgen wurde der 25jährige Bürgermeister des Dorfes Anchuras zunächst zum Zivilgouverneur der Kreisstadt Ciudad Real gebeten, von dort ging die Reise im Hubschrauber weiter nach Madrid, zum Verteidigungsminister Narcis Serra.

Was der ihm zu eröffnen hatte, wollte dem Bürgermeister allerdings überhaupt nicht gefallen. Der Ministerrat habe beschlossen, erklärte ihm Narcis Serra, 5.000 Hektar Land im Umkreis von Anchuras zu einem Schießgebiet der spanischen Luftwaffe zu machen. „Er hat es mir sehr schön ausgemalt“, sollte Santiago Martin später gegenüber Journalisten sagen, „aber ich weiß, daß man mit Bomben nur wenig Gras hochzieht.“

Seit jenem Mittwoch vergangener Woche ist Bewegung in das 518-Seelen-Dörfchen gekommen. Denn das von den Militärs ausgesuchte Gelände ist nach Aussagen der Dorfbewohner das fruchtbarste der Gegend. 2.000 Kilo Getreide ernten die Bauern dort jährlich und 3.000 Stück Vieh, vor allem Ziegen, weiden dort. Wenn erst einmal Bomben abgeworfen werden, so fürchten die Einwohner, werden sie über kurz oder lang ihr Dorf verlassern müssen. Eine „Vereinigung zum Schutz von Anchuras“, bestehend aus der kommunistischen Gewerkschaft Comisiones Obreras (CCOO), der anarchistischen Gewerkschaft CNT, der konservativen Partei AP, der KP, der Zentrumspartei CDS und ökologischen Gruppierungen wurde gegründet.

Am Montag demonstrierten 2.000 Menschen aus Anchuras und Umgebung. Man wolle keinen Schießplatz in Anchuras und auch nicht anderswo in der Provinz Kastilien-La Mancha, lautet die Forderung. Erstens will man sich nicht vertreiben lassen, zweitens sei das geplante Schießgelände nur 15 Kilometer von dem (noch nicht in Betrieb genommenen) AKW Valdecaballerow entfernt, und drittens sei dieses Gelände ökologisch ebenso wertvoll wie das von Cabaneros.

Das Gebiet Cabaneros, 20 Kilometer Luftlinie von Anchuras entfernt, war ursprünglich als Schießgelände vorgesehen gewesenf. Angesichts jahrelanger Proteste - Cabaneros ist ein Gebiet mit seltener Flora und Fauna - hatte die Regionalregierung von Kastilien-La Mancha das Gebiet am 11.Juli jedoch zum Naturreservat erklärt.

Die Regierung in Madrid bestreitet den ökologischen Wert von Anchuras. Bezüglich des nahegelegenen AKWs erklärte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Pedro Meyer, zum einen sei das AKW nicht in Betrieb und zum anderen würden die Flugzeuge ohnehin nicht darüber hinweg fliegen. Die Luftwaffe brauche innerhalb der nächsten zwei Jahre ein neues Übungsgelände, da bis dahin 72 F-18A-Jagdbomber in Spanien eingetroffen seien. Die beiden bislang betriebenen Schießgelände reichten dann nicht mehr aus. 1.500 Millionen Peseten, etwa 22.000 Mark, sei das Verteidigungsministerium bereit, an Entschädigung zu zahlen, so der Sprecher weiter. Zur Not werde man das Gebiet allerdings beschlagnahmen, und dann falle die Entschädigungssumme erheblich niedriger aus. Nach Angaben des Bürgermeisters von Anchuras sind die sieben Eigentümer des fraglichen Geländes allerdings bislang noch nicht bereit zu verkaufen. Vom Regierungspräsidenten von Kastilien-La Mancha, Jose Bono, dürfen die Einwohner von Anchuras keine Unterstützung erwarten: er ist Sozialist wie die Regierung in Madrid.

Doch so schnell geben die Einwohner aus Anchuras nicht auf: Noch in diesen Tagen wollen sie im spanischen Verteidigungsministerium Unterschriftenlisten gegen das Übungsgelände einreichen, weitere Demonstrationen sind geplant.

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