Apokalypse e.V.

■ Untergangsszenarien im harten Wettkampf

K O M M E N T A R E

Der Bund für Umwelt und Naturschutz beklagt sich jetzt über das Robbensterben, weil es das Waldsterben vergessen lasse. Recht hat er. Aber das Waldsterben überlagert wiederum die Schwermetallbelastung; die Schwermetallbelastung die Giftmülldrohung; die Giftmülldrohung die Klimakatastrophe; die Klimakatastrophe den GAU; der GAU das Ozonloch; das Ozonloch Aids. Und was überlagert Aids? Das Robbensterben.

Jede Apokalypse hat ihren Verein, und die Apokalyptiker streiten sich um den Primat ihrer Untergänge. Die Apokalypsen formen sich zu einer Tarantella. Der Zeiger der Weltzeituhr flimmert permanent zwischen Fünf vor Zwölf und Fünf nach Zwölf, denn eine inzwischen unübersehbare Schar von Experten balgt sich mit guten Gründen um die richtige Zeigerstellung. Das Problem ist nicht, daß sie Recht haben, sondern daß sie schon zu lange Recht haben. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit aber läßt sich nicht in Dauererregung halten. Zum ersten Mal ist die Menschheit aufgerufen, nicht nur bewußt Geschichte zu machen, sondern auch gezwungen, bewußt die Geschichte ihrer Gattung zu machen.

Allein, der Dauerton der Alarmsirenen der praktischen Vernunft ist ja nur erträglich, wenn große Koalitionen sich anbahnen, wenn die Massen bewußter Menschen die Trägheit unserer politischen Verhältnisse erschüttern. Als die Grünen antraten, durfte man hoffen. Inzwischen aber wird die Sphäre der Politik wieder und mehr denn je von kleinkarierten Machtpolitikern, Rechthabern und Minidemagogen beherrscht. Und die gereizte Öffentlichkeit? Sie spaltet sich in Paranoiker mit muffiger Moral und Hedonisten, die permanent zur Tagesordnung übergehen und im übrigen die Robben am liebsten im Ozonloch verschwinden lassen wollen.

Klaus Hartung