Obskurer Schlag gegen Italiens Linke

Adriano Sofri unter zweifelhaftem Mordvorwurf festgenommen / Steht dahinter politisches Manöver?  ■  Aus Rom Werner Raith

Italiens Justiz befindet sich wieder einmal auf der Suche nach Leichen im Keller, speziell im Keller ehemaliger Linksmilitanter. Diesmal hat es, zusammen mit drei Genossen, den Mitbegründer und einstigen Führer der Studenten -Arbeiterorganisation „Lotta continua“, Adriano Sofri, 46, erwischt. Die vier wurden am Mittwoch auf Anordnung des Ermittlungsrichters Antonio Lombardi aus Mailand festgenommen. Begründung: Verdacht einer Beteiligung beim Mord an Polizeikommissar Luigi Calabrese im Jahr 1972.

Mit der Festnahme Adriano Sofris haben die Behörden nicht nur einen „historischen Leader“ der frühen 70er Jahre unter Mordanklage gestellt, sondern auch einen der brillantesten und angesehensten Intellektuellen der 80er Jahre aus dem Verkehr gezogen: Mitarbeiter des Nachrichtenmagazins 'Panorama‘, häufiger Interview-Partner von SchriftstellerInnen wie Elsa Morante, Leonardo Sciascia, befreundet mit weltberühmten Malern wie Ranto Guttuso, seit Jahren Militant-Grüner sowie Berater des stellvertretenden Vorsitzenden der Sozialistischen Partei, Claudio Martelli. Legendär wurde sein Beitrag in einer Debatte des damaligen PCI-Vorsitzenden Palmiro Togliatti mit einem amerikanischen Oberst, der absolut nicht an den harmlosen Charakter der italienischen Kommunisten glauben wollte: „Es gehört schon die Naivität eines amerikanischen Offiziers dazu, im PCI eine revolutionäre Partei zu sehen“.

Es ist der dritte Anlauf der Behörden, Licht in einen Mordfall zu bringen, der sich in einen der abenteuerlichsten Vorgänge der italienischen Justizgeschichte einfügt. Am Anfang stand, 1969, der Anschlag auf die Landwirtschaftsbank von Mailand, bei der 17 Menschen ums Leben kamen. Trotz vieler Hinweise, daß es sich um ein neofaschistisches Attentat gehandelt hat, ermittelten die Behörden stur gegen eine anarchistische Gruppe um den Buchhändler Valpreda. Angeführt wurde die einseitig blinde Polizistensquadra von eben jenem später ermordeten Kommissar Luigi Calabresi. Man ermittelte nun im Mordfall Calabresi gegen rechtsgerichtete Organisationen, erfolglos: Nun soll ein mit Namen noch unbekannter Rotbrigadist genauere Angaben gemacht haben, die zur Verhaftung der vier geführt haben.

Man hält die spektakuläre Festnahme Sofris eher für ein gezieltes Manöver, etwa gegen die laufenden Amnestie-Pläne für Polittäter oder auch persönlich gezielt gegen PSI-Vize Martelli, dessen Demontage Gegner seit einigen Monaten betreiben.