Schicksal der Chilenen unklar

Unter Berufung auf chilenische Oppositionskreise meldet SPD-Pressedienst, die Urteile gegen drei Todeskandidaten seien gefällt / Oppositionszeitschrift 'Analisis‘ ist davon nichts bekannt / Neuer Appell an Bonn  ■  Von Till Meyer

Berlin (taz) - Widersprüchliche Meldungen gibt es derzeit über das Schicksal dreier der 15 Todeskandidaten in Chile. Nach Meldungen aus Kreisen der chilenischen Opposition hat das Militärgericht in Santiago bereits Anfang Juli die Todesurteile gegen die drei Widerstandskämpfer gefällt. Dies will der parlamentarische Pressedienst der SPD, PPP, aus „sicherer Quelle“ erfahren haben. Auf Anfrage der taz konnten gestern allerdings weder die Gefangenenhilfsorganisation „CODEPU Nacional“ noch die oppositionelle Zeitschrift 'Analisis‘ diese Informationen bestätigen. Über ein bereits gefälltes Urteil sei ihnen nichts bekannt.

Die drei Todeskandidaten, Jorge Palma, Carlos Araneda und Hugo Marchant, gehören zu den 15 Todeskandidaten, um deren Asylgewährung es im letzten Sommer in der BRD einen heftigen Parteienstreit gegeben hat. Bundesinnenminister Zimmermann hatte eine Asylgewährung abgelehnt, weil es sich bei den drei Widerstandskämpfern gegen das Pinochet-Regime um „Terroristen“ handele, und behauptet, es gebe keinen „akuten Handlungsbedarf der Bundesregierung“.

Nach Ansicht der chilenischen Opposition, auf die sich der PPP beruft, hält das Militärgericht der Corte Marcial derzeit bewußt die Veröffentlichung der Urteile zurück, bis der Militärjunta die politische Lage opportun erscheint. Dies könne, so die Befürchtung der chilenischen Regimegegner, dann der Fall sein, wenn die internationalen Proteste und die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit nachließen.

Noch vor zwei Tagen hatte ein hoher Beamter aus dem Bundeskanzleramt eine Entwarnung an die Jusos geschickt. Diese hatten in einem Telegramm von Bundeskanzler Kohl die sofortige Asylgewährung für die drei Todeskandidaten gefordert . Nach Aussage des Beamten „rechnet das Bundeskanzleramt nicht damit, daß es in der nächsten Zeit zu einem Urteil in zweiter Instanz gegen die drei Angeklagten kommt“. Nach chilenischem Recht muß binnen 48 Stunden nach öffentlicher Urteilsverkündung die Strafe vollstreckt werden.

Mit einem dringenden Telegramm zur Rettung der drei hat sich jetzt erneut der SPD-Bundestagsabgeordnete Vahlberg an Innenminister Zimmermann gewandt. Auch Vahlberg liegen Informationen vor, wonach die Todesurteile bereits gefällt wurden. Er beruft sich auf den gerade aus Chile zurückgekehrten Professor aus Karlsruhe, der im Auftrag des dortigen Chile-Komitees Santiago besuchte. Dieser habe seine Information, daß die Urteile bereits gefällt seien, aus dem Kreis der Angehörigen erhalten. Vahlberg appelliert an den Innenminister, „den politischen Gefangenen aus Chile umgehend die Einreise in die BRD zu gestatten und gegenüber der chilenischen Regierung die Aufnahmebereitschaft der BRD zu erklären“.