HUNDERTSECHZIGMAL

■ Interview mit einem „Abfertiger“ der BVG zur Raum-Klang-Installation von Christina Kubisch im Keller der Kreuzbergstraße 32

Die Installation: Das, was all die Bewalkmannten nicht mehr hören, bekommt man direkt auf's Ohr, den wahren underground, U-Bahn-Musik, Zuggeräusche, Türenrattern, immer wieder: Zu-rück-blei-ben, mal nett, mal schlaff, mal Kasernenhof. Das ganze im tiefen, leeren, dunklen Keller, nur mit Kopfhörer und Mini-Taschenlampe, quasi als alien auf die Reise geschickt, vorbei an einem Kilometer Draht, der die Durchsagen bei Annäherung bis zum Orkan verfremdet.

taz: Wie oft am Tag sagen Sie „Zurückbleiben“?

H.: Das hab ich noch nie ausgerechnet. Aber das kann man sich ja ausrechnen: alle 3 1/2 Minuten ein Zug, acht Stunden lang.

Wieso starren Sie den Zügen eigentlich immer so hinterher?

Das ist Vorschrift. Den Zug verfolgen, bis der letzte Wagen am Signal vorbei ist, denn der Zugführer kann den Bahnsteig ja überhaupt nicht überblicken.

Ist Ihre Durchsage immer gleich, Tag für Tag?

Ja, das ist Routine, da gibt's Vorschriften.

Ist da nicht der Reiz, mal einen Scherz zu machen?

Nee, die mach‘ ich nicht. Manche Kollegen machen das, aber es gibt auch Fahrgäste, die beschweren sich dann. Ich muß die acht Stunden rumkriegen, mehr nicht.

Was machen Sie so zwischen den Zügen?

Schreibkram oder ich telefoniere Verspätungen durch, die muß ich dann auch eintragen.

Sind Sie immer in der gleichen Station?

Nein, ich hab‘ drei Bahnhöfe, zwischen denen ich so hin und herwechsle.

Haben Sie auch andere Aufgaben als das Abfertigen?

Alles, was anfällt. Da kippt mal jemand auf dem Bahnsteig um, den muß ich dann versorgen, oder ich ruf die Polizei, wenn es 'ne Schlägerei gibt. Und natürlich Fragen beantworten.

Wie kommen Sie denn damit zurecht, ständig im Untergrund zu sein, ohne Tageslicht?

Da muß man mit leben. Ist ja in 'ner Fabrikhalle oder im Supermarkt auch nicht anders. Hat alles seine Vor- und Nachteile.

Wie lange machen Sie den Job schon?

Acht Jahre.

Kotte