INFERNO PERVERS

-Wie soll der Quatsch heißen?

-Inferno Paradis.

-Und am Wannsee!? Nee, Menschenkinder! Aber - Sack und Asche - mir fällt da Inferno Pervers ein. Und das ist der mit persönlich bekannte allerallerbeste Pornofilm, den ich je gesehen habe. Der war ... nee, das kam so: Aus irgendwelchen dienstlichen Gründen fahre ich im Sommer mit dem Kollegen Butzmann nach Hamburg. Die nette Zugfahrt da, wo's so schön schuckelt, Tag X, es herrschte eine solche Hitze, daß ich gleich zum Butzmann sage: „Sag mal, was ist denn nun los? Geht denn so Hitze überhaupt?“ Und er kommt mir auch gleich mit seinem Ozonloch überm Bodensee und es kommt noch dicker und wir sitzen im Bahnhof Zoo und schwitzen, was die Schwarte hält.

Beide sind wir starke Schwitzer. Insbesondere da, wo man's auch gleich sieht: diese abstoßenden Gesichtsschwitzertypen, von Arschfalte usw. mal abgesehen. Und dann auch das Gehetze: noch unbedingt hier ein Bounty und dort ein Bier. Und da schwitzen wir, Bier und Bounty, auf'm Bahnsteig und glotzen auf die Omas mit ihren übermenschlichen Überseekoffern. Rumms! Mit einmal schreckt der ganze schreckliche Flüchtlingspulk hoch und wackelt, linksrechts die dicken Koffer, auf die 2. Klasse hin. Nun hatten wir aus genau diesem, allzubekannten Grunde und aus diesem Sich-irgendwas-vornehmen-Wahn heraus schon zu kühleren Zeiten beschlossen, die Rumpelfahrt im Speisewagen mit Letschoschnitzel und Wernersgrünen bequem zu gestalten. Alles schön kommode. Also während sie weiter vorne und hinten den Kampf ausfechten mit ihren Stinkezigarren, Knoblauchfahnen und all den faulen Sockentricks, schlendern wir Übermenschen auf die freien Tische hin. Schattenseite. Abpfiff. Es rumpelt hier und da hin, Bier kommt, Schattenseite plötzlich drüben! Wir denken fünf Minuten über Himmelslogik und -richtung nach und wechseln auf die Seite namens drüben. Es rumpelt, wir sitzen wieder in der Sonne! Netter, großer Tisch, aber volle Sonne. „Herr Ober! Fenster uff!“ Tut ihm außerordentlich leid. Und während sich die Sonne nun endgültig auf der unsrigen Seite etabliert und wir langsam die Halbschuhe vollschwitzen, kommen zwei frisch deodorierte, luftige Urlauberinnen und bitten charmant um die uns einkeilenden Gangplätze. Wir schwitzten ihnen freundlich zu und fressen und fressen, denn die Schweißtropfen lassen die Soßen nimmer zu Ende gehen. Schön und gut. Hamburg wird erreicht, das Dienstliche erledigt, eine Nahrung wieder zu sich genommen, desgleichen Bier und Stumpen. Wir hatten uns für die Heimreise einen letzten Zug notiert und stellen uns auf, Wartestellung, und stutzen schon untergründig gemeinsam. Bahnsteig leer. Sollte es denn wahrhaftig nur uns beide geben, die jetzt nach Berlin reisen möchten? Kein Zug kommt, um wenigstens unsere Frage mit ja zu beantworten. Es ist einer der berüchtigen Geisterzüge, die zwar groß und protzig auf den Fahrplänen von und nach Berlin ausgelobt sind, aber wenn du das Kleingedruckte liest, in Wahrheit nur zu Kaisers Geburtstag verkehren. In Wirklichkeit fahren drei Züge am Tag. Es stehen aber doppelt so viele auf diesem Scheiß-Fahrplan.

So, wat nu? Nochmal essen, nochmal soviel saufen wie eben? „Na los, komm“, sagt Butzmann, „wir suchen uns da so ein verkommenes Hotel, St. Georg, und dann kucken wir mal.“ Nun war da so ums Karree so ein schön rosa geschmücktes Hotel angeleuchtet, daß wir gleich dachten, wo wir doch auch wenigstens einmal im Leben was mit Filzmucken zu tun haben möchten, da gehen wir doch mal hier rein und klingeln. In der Tiefe des Raumes klingelte es auch tatsächlich. Ich denke noch, komisch, hier drückt man so drauf und da hinten drinne ... da geht's auch schon los! Also sowas hatten wir noch nicht erlebt! So ein Husten! Ein unglaubliches Husten da drinne. Ein vierschrötiges Schwindsuchtshusten näherte sich der Tür, Schritt für Schritt. Die Tür geht langsam auf, nette, kurze Stille. Ein aschfahles Runzelgesicht männlichen Geschlechts guckt raus und sagt: „Namend Jongs! Wenn ich jetzt nochma husten tu und ihr seht son braunen Rauchring raushusten: das is mein Arschloch!“ Also rein, der Laden is in Ordnung. Halbes Stündchen ruhen, hübsch Zähneputzen und raus zu diesem John Houston da, ob er nich eine schöne Unterhaltung für uns weiß. Oh ja, da kam dies und jenes zu verschiedenen Preisstufen und wir nehmen Kino. „Da könnt ihr schön sitzen, könnt was trinken, eure Stumpen alle stinken und euch 1 runterholen.“

Also, die Soundsostraße runter an die Kinokasse und schwer überlegen, was nun eigentlich so der Unterschied zwischen Kino 1 und 8 sein könnte. Na, fragen wir mal höflich. „Also guten Tag, wir sind hier aus Berlin, er heißt Butzmann, mein Name ist Kapielski, wir wollten mal bitte fragen, welcher von diesen acht Filmen hier gewissermaßen der härteste Stoff ist.“ Na, denn geht ma Kino 6 - dascha schon nich mehr feierlich, Mänsch! Son Schweinskram, min Jong!“ „Ja genau, da möchten wir bitte sehr zweimal Erwachsene.“

Unsere Augen mußten sich eine halbe Minute an die Halbwelt gewöhnen, und dann strahlten wir, es gab eine Theke. Sie gaben uns - weil das nun mal so Sitte da sei - so ein winziges Einkaufskörbchen, wie bei Edeka, aber kleiner, mit drei Bier auf einmal drin und damit wackelten wir auf die Tür 6 zu. Leerer Saal, nee, es pennte einer rechtsaußen. Und nun gings aber los! Lieber Praunheim, wenn der Streifen doch von dir sein sollte, herzlichen Glückwunsch! Ein Rolls-Royce gleitet auf einen Autobahnparkplatz. Der Chauffeur rennt rum, macht die Tür auf, eine Graf Joster-Type tapert heraus, zieht sich die Hosen runter, pißt, scheißt 'dünn‘ und kotzt gleichzeitig. Aha! Zwei Begleiterinnen krauchen auf allen vieren hinterdrein. Hinhocken, Höschen runter und Taucherkamera? - pullern aufs Objektiv, welches uns aber alles weiter tapfer aufzeichnet. Alle wieder rin ins Auto. Wir mit. Sie saufen, was das Zeug hält. Und nun ist das alles sehr schön und gut gedacht, daß wir im Kino auch prosten können. Zuschauer voll mit einbezogen. Nach noch mehreren Pinkelpausen erreichen wir das Landhaus. Mann pullert nochma freimütig Rolls und Chauffeur an, dieser darf jetzt auch saufen anfangen und der Graf Joster -Typ geht sich umziehen. Er erscheint in einer sommerlichen Cowboyausrüstung: Hut und Pistolengürtel. Orgie folgt, brauchen wir aber nicht weiter drauf einzugehen, kennt man von Latein her. Alle schlafen ein, der rechtsaußen wacht auf und geht. Schnitt. Graf Joster betritt das Badezimmer, greift sich die Klobürschte, zieht ordentlich eine LinieBlendamed drüber und putzt sich erstmal die Zähne. „Siehste!“ flüsterte ich da zu olle Butzmann ins Ohr, erwägen wir doch endlich noch, was für'n Quatsch es ist zu sagen, so und so sollte der Mensch sein! Die Wirklichkeit zeigt uns einen entzückenden Reichtum der Typen, die Üppigkeit eines verschwenderischen Formentyps!“ „Aber genau!“ sagte Butzmann daraufhin, und: „Hierzu zählt auch der Schwitzertyp!“ Später am Abend sprach John Houston dann noch beim Frühstücksdrink: „Jongs! Wir Immoralisten haben unser Herz weit gemacht für alles Verstehen, Begreifen und Gutheißen.“