Kein Platz für Kinder in Kreuzberg

■ Heute öffnet die erste neue Kindertagesstätte im IBA-Viertel Südliche Friedrichstadt / Ein Tropfen auf den heißen Stein: Hunderte von Plätzen fehlen

Heute ist Premiere. In der Halleschen Straße 20 wird eine neue Kita eröffnet. „Erfreulich“, meinen die Kreuzberger Bezirkspolitiker. Unzufrieden sind sie dennoch. Denn der 5,1 Millionen Mark teure Neubau ist gerade mal die erste von vier geplanten Kindergärten in dem Kreuzberger IBA-Baugebiet „Südliche Friedrichstadt“, und er ist auch die erste fertiggestellte Infrastruktureinrichtung in dem Stadtviertel überhaupt.

Lediglich ein kleiner Spielplatz - „20 mal 20 Meter groß“, schätzt Baustadtrat Orlowsky - ist seit einem dreiviertel Jahr in Betrieb. Der Wohnungsbau in dem Stadtviertel dagegen schreitet munter voran. Von insgesamt 2.500 neugebauten Wohnungen ist bereits die Hälfte bewohnt, in Kürze werden zweidrittel der anvisierten 6.500 neuen Einwohner eingezogen sein.

Daß Kitas, Schulen und Grünanlagen dagegen noch fehlen, sei „ein Skandal erster Güte“, meint der AL-nahe Baustadtrat. „Proteste in Mengen“ registriert Peter Weiher vom für Kitas zuständigen Kreuzberger Jugendamt: „Die Eltern aus der Südlichen Friedrichstadt kommen regelmäßig in unser Amt und beschweren sich.“ 800 Vormerkungen sind schon eingegangen. Die 113 Plätze der heute eröffneten Kita sind vom Start weg voll belegt. Bis alle geplanten Kitas verfügbar sind, können jedoch noch drei Jahre vergehen, schätzt Weiher.

Die Meinungen gehen auseinander, wer die Schuld an der Misere trägt. Orlowsky sieht zumindest eine Mitverantwortung beim ehemaligen Direktor der inzwischen aufgelösten IBA. „Kleihues hat im Prinzip Einzelarchitektur addiert. Und er hat seinen Einfluß, etwa bei Diepgen nicht benutzt“, meint Orlowsky.

„Die städtebauliche Figur stand für die IBA im Vordergrund“, räumt man auch beim Bausenator ein, wo die Geschäfte der aufgelösten Gesellschaft heute geführt werden. Gleichwohl gibt auch Orlowsky zu, daß der IBA vielfach einfach die Kompetenzen fehlten, sich im Konzert der zuständigen Behörden durchzusetzen. Ein öffentliches Bauprojekt muß von meh (Fortsetzung auf Seite 18)

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reren Instanzen geprüft und ge-nehmigt werden, ein Wohnungsbauunternehmer kann oft flexibler agieren als eine Behörde, die bei Grundstücken z.B. nicht mehr als den Verkehrswert bezahlen darf. Der Bauverwaltung wirft Orlowsky vor, die privaten Wohnbauer gefördert zu haben. Dort sieht man es eher als „unglückseligen Zufall“ an, daß die Infrastrukturprojekte von Grundstücksproblemen behindert wurden. Das galt für die Kita in der Schöneberger Straße, die das Deutsche Rote Kreuz betreiben soll - Ende des Jahres soll hier endlich Baubeginn sein. Das galt bis vor kurzem für die geplante Kita im Block 20, auf dem Grundstück Friedrichstraße 235/236. Es gehört dem Bund und wird von der Oberfinanzdirektion (OFD) verwaltet. Zwei Jahre verhandelten OFD und Senat über den Kaufpreis, in einem Monat sei das Geschäft jetzt unter Dach und Fach, wird in der Finanzbehörde versichert.

Baubeginn könnte dann im nächsten Jahr sein, schätzt ein Mitarbeiter der Bauverwaltung. Für Orlowsky ist die Verzögerung „ein Skandal“: immerhin wandert der Kaufpreis nur von einer Tasche des Staates in die andere.

Protestworte findet der Baustadtrat auch, wenn es um das Kita-Projekt nahe dem Blumengroßmarkt an der Besselstraße geht. Jetzt erst habe Bausenator Wittwer die nötige Befreiung vom Bebauungsplan „in Aussicht gestellt“, eine förmliche Zusage jedoch vermißt Orlowsky noch. Wittwer gibt den Vorwurf mit dem Hinweis auf die Rechtslage zurück. Befreiungen könne man erst dann erteilen, wenn der Bezirk einen Bauantrag für die Kita stelle. Die Bauverwaltung: „Wir warten.“

hmt