WAA-Pressefotos von Kripo kassiert

Durchsuchungsbeschluß gegen die 'Mittelbayerische Zeitung‘ / Beschlagnahmte Fotos zeigen Prügeleinsätze der Berliner Sondereinheit „EbLT“ am Wackersdorfer WAA-Bauzaun / Angeblich Beweismaterial gegen Truppe aus Berlin / Rechtsgrundlage strittig  ■  Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Zehn Monate nach den Prügeleinsätzen von Berliner Sondereinheiten am Bauzaun der Wackersdorfer Wiederaufbereitungsanlage hat die Regensburger Kripo in der 'Mittelbayerischen Zeitung‘ am Freitag Foto-Negative beschlagnahmt. Angeblich dienen die Filme jetzt als Beweismittel gegen die beschuldigten Berliner Beamten, heißt es in dem Durchsuchungsbeschluß. Karl-Heinz Weigl, zuständiger Redakteur für die Bayern-Berichterstattung bei der 'Mittelbayerischen‘ will aber nicht ausschließen, daß die Fotos auch gegen abgelichtete DemonstrantInnen verwendet werden könnten.

Sowohl der Fotograf als auch die Redaktion hatten sich zuvor geweigert, das Bildmaterial freiwillig herauszugeben. Chefredakteur Kurt Hofner erklärte der taz, „in Respekt vor der Rechtslage“ hätten die Fotos ausgehändigt werden müssen. Aber die Tatsache, daß journalistische Fotos den Ermittlungsbehörden zu Verfügung gestellt werden mußten, „macht die weitere Arbeit alles andere als leichter“.

In der Begründung des Durchsuchungsbeschluß heißt es, die 'Mittelbayerische Zeitung‘ hätte wiederholt über die Vorgänge am 10. Oktober berichtet, insbesondere über eine „Sondereinheit der Berliner Polizei, die mit massivem Schlagstockeinsatz gegen friedliche Demonstranten vorgegangen sei“. Zur Klärung der näheren Umstände sei die Staatsanwaltschaft auf das Fotomaterial angewiesen. Das Regensburger Amtsgericht verwies in dem Beschluß weiter auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Oktober 87, nach dem Journalisten für selbsterarbeitetes Material kein Zeugnisverweigerungsrecht zugestanden wird, und erklärte somit eine Beschlagnahme für zulässig.

Daß die „Sonderkommision Bayreuth“, die mit den Ermittlungen gegen die Beamten beauftragt ist, jetzt via Amtsgericht sechs Fortsetzung Seite 2

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Filme bei der 'Mittelbayerischen Zeitung‘ beschlagnahmen läßt und als Begründung dafür ein nötiges Beweismittel gegen die Berliner Truppe anführt, ist reichlich ungewöhnlich. Bereits im Februar hatte der Sprecher des Nürnberger Oberlandesgerichts Guerrein, bekannt gegeben, daß die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit zehn Strafanzeigen wegen Körperverletzung im Amt, über 120 Zeugen gehört hat, und daß in Berlin 45 Beamte vernommen worden sind. Zu einem Abschluß der Ermittlungen ist es aber bis heute nicht gekommen.

Die Prügeleien der Berliner Sonderkommandos, darunter die berühmt-berüchtigte Einheit „EbLT“ (Ersatztruppe für besondere Lagen und einsatzbezogenes Training), waren mehrfach Thema parlamentarischer Anfragen in Berlin und Bayern. So überreichten im November die bayerischen Sozialdemokraten dem Münchner Innenminister August Lang eine Liste mit Zeugenaussagen verletzter DemonstrantInnen, die die Übergriffe der Berliner Polizisten belegten. Die Prügeleinsätze waren nicht nur Thema einer Fragestunde im bayerischen Landtag, auch der Innenausschuß des Berliner Senat beschäftigte sich mit der EbLT und ließ sich am 9.November unter Ausschluß der Öffentlichkeit zwei Polizeifilme über die Wackersdorfer Einsätze vorführen. Belegt sind die Übergriffe, bei denen 40 WAA-GegnerInnen zum Teil schwer verletzt worden waren, auch durch eine Vielzahl von Fotographien, die nach dem 10.Oktober veröffentlicht worden sind.

Die Rechtsgrundlage, mit der das Regenburger Amtgericht die Beschlagnahme begründet, ist strittig. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar im Oktober letzten Jahres geurteilt, daß Journalisten für selbstrecherchiertes Material kein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, aber es führte in der 25seitigen Begründung auch aus, daß die Behörden im jeweiligen Einzelfall sorgfältig zu prüfen hätten, ob der Eingriff in das Redaktionsgeheimnis gerechfertigt sei. Eine Einschränkung der Rundfunk- und Pressefreiheit ist nach dieser Entscheidung, so der Hamburger Fotograf und Vertreter des Berufsverbands, Günter Zint, nur bei schweren und erheblichen Straftaten gerechtfertigt.