Avantgarde auf Bayrisch

■ Alfred Edel, dienstältester Mitarbeiter des Jungen Deutschen Films, spaßvogelt jetzt als Dr. hc. Kohlhammer durch „z.B. ... Otto Spalt“ und war zur Cinema-Ostertor-Premiere in Bremen

Alfred Edel ist Niederbayer. Das merkt man gleich. Er poltert und grobiant durch's Interview, wie man sich das von Menschen aus der Bergpampa um Passau so vorstellt. Immer wieder muß ich den Recorder ausstellen („Mach mal aus das Ding“ - ohne jedes bitte oder ähnlich rudimentäre Höflichkeitsfloskeln knüttergesichtig hingegrantelt), wenn dem Großmeister die Frage nicht gefällt oder er der durchaus berechtigten Ansicht ist, das Gespräch brauche eine straffere Regie. Nach anstrengender Radio Bremen -Promotiontour will er nur noch nachdrücklichst sicher stellen, daß er von blondköpfigen und bestimmt irgendwie beschränkten NachwuchsjournalistInnen in all seiner Weisheit ordentlich verstanden wird. „Da kannst was draus machen, nicht?“ und „Haast das? “. Recht so, jeder will anständig verstanden werden. Ich auch.

Alfred Edel, Mitmensch der Neuen Frankfurter Schule (Satire-Kreis um die alte Pardon- und Transatlantik -Crew, der gern mal im betrunkenen Zustand Gedichte schreibt) und „dienstältester Mitarbeiter des jungen deutschen Films“ ist Schauspieler ohne Schauspielunterricht. 56 Lebensjahre Avantgarde auf bayrisch, brav nach Typ besetzt und nicht so sehr nach darstellerischen Fähigkeiten. Alfred Edel spielt mit in „z.B....Otto Spalt“.

taz:Otto Spalt ist eine schräge

kleine Komödie um fünf Kurzfilme. Ist ein solcher „Unterhaltungsfilm“ ein Bruch in der eher ernsthaft -tiefsinnigen Tradition des Neuen Deutschen Film?

Edel: Film ist eigentlich traditionell ein Unterhaltungsmedium. Um einen unterhaltsamen Film zu machen ist es aber nötig, Realität zu verkürzen und auf den Punkt zu bringen. Wenn Filmrealität punktiert ist, kriegt sie ja sofort einen komischen Inhalt. Deshalb hat es satirische Unterhaltung so schwer, Traditionen zu entwikkeln. Bei sich schnell verändernder Realität bekommt jede Form von Satire ja schon fast Unikatcharakter. Damit ist Unterhaltung nicht einfach fortsetzbar. Sie ist von Zeitgeist und aktuellen Strömungen abhängig. Das ist das erste. Das zweite: eine Komödie lebt natürlich von Komödianten, von Schauspielern, die komisch spielen können. In Deutschland sind bestimmte Traditionen des klassischen Unterhaltungsfilms einfach verkümmert.

Warum in Deutschland?

Das liegt erstes an der Tradition des Theaters, das einen anderen Kulturanspruch hegt. Die Institutionalisierung und Professionalisierung des Kulturbetriebes und die Tatsache, daß der klassische Kulturbetrieb von einem gewissen Tiefenbonus lebt - schon zur Legitimation von Subventionen führt dazu, daß bestimmte unterhaltende Darstellungen, die

nicht in den Subventionstopf fallen, unterrepräsentiert sind. Die Entwicklung vom Schauspieler-zum Regie-Theater hat darüber hinaus die Individualität von Schauspielern zweitrangig gemacht. Das Regie-Theater produziert relativ wenig Chargen, also große Komödianten wie im Wiener Film etwa Hans Moser.

Ich glaube nicht, daß wir Deutschen einfach keinen Sinn für satirische Unterhaltung haben. Aber es gibt keinen nationalen Unterhaltungsmythos. Die Tschechen haben da Schweijk, die Engländer den schwarzen Humor. Aber wir haben national kaum etwas. Regional vielleicht - z.B. in Bayern. Darum sind auch die bayrischen Vorabendserien vom Unterhaltungwert her qualitativ relativ hoch.

Gibt es gar keine deutschen Unterhaltungstraditonen?

Es hat natürlich in der UFA-Zeit immer Unterhaltungsfilme gegeben. Und es gab sicherlich immer manipulierte Unterhaltung. Die hat aber nichts mit Realität-auf-den-Punkt -bringen zu tun, sondern drückt Realität in Klischees platt. Komödie als satirische Unterhaltung ist eine ganz, ganz hohe Kunstform, weil sie eine genuin kreative Begabung verlangt, nämlich das Umsetzen von Zeit, so daß Menschen sich über Lachen identifizieren können.

Wenn Dir Komödien so gut gefallen, warum hast Du dann so lang

beim eher als anti-unterhaltsam konzipierten Neuen Deutschen Film mitgemacht?

Avantgarde, was der Neue Deutsche Film ja war - ich nenn das mal den Einbruch der Aufklärung in Deutschland -, das kann ja von der Rezeption her von vornherein nicht als Unterhaltung gesehen werden, weil die Distanz des Zuschauers, zu dem, was er sieht, viel zu groß ist. Klassiker des Deutschen Films, die damals so bitter ernst aufgenommen wurden, wenn man die heute sieht, wirken die auf einmal ungeheuer komisch, weil man das Vorwissen hat, das den belehrenden Charakter wegnimmt und den wissenden Charkter verstärkt. Das gehört ja zum guten Unterhaltungsfilm dazu, daß der Zuschauer schlauer ist als die Filmhandlung.

Aber gab es nicht in den 60er und 70er Jahren einen eindeutigen Trend gegen Unterhaltung seitens der deutschen Avantgarde?

Jede neue Entwicklung ist ja nur aus einem traditionellen Zusammenhang zu verstehen. Der Junge Deutsche Film mußte sich natürlich gegen die Unterhaltungsklischees der 50er Jahre absetzen. Zweitens war ja nach der Adenauer -Restauration ein ungeheurer Aufklärungs- und Informationsbedarf da, der heute weitgehend durch die starke Verschulung abgedeckt wird. Der Film, der das damals protagonistisch mittrug, hat diese aufklärerische Funktion

weitgehend verloren.

Aber war er nicht von vornherein für ein bereits aufgeklärtes Minderheitenpublikum konzipiert?

Das seh ich nicht mit so einem negativen Unterton, weil Avantgarde ja nie gleich auf Mehrheiten treffen kann. Man darf natürlich nicht vergessen, daß der Junge Deutsche Film, der heute schon der Altjunge Deutsche Film genannt werden müßte, an Modernisierungswellen ausgelöst hat. Heute konkurriert das Programmkino ja schon fast mit der klassischen Opernbühne. Filmkunst ist eine reife Kunst geworden. Die etablierte Filmkultur hat bereits Tiefenbonus und ist soweit akzeptiert, daß sie sich zu Unterrichtsformen entwickelt hat. Da gibt's jetzt Scheine an den Unis für.

Ist Otto Spalt noch Avantgarde?

Die Kurzfilme darin haben ja praktisch schon den Glanz von Klassik, d.h. den experimentellen Charakter weitgehend verloren. Und durch die Rahmenhandlung bekommt der Zuschauer - sehr geschickt, nebenbei bemerkt - Rezeptions- und Identifikationshilfen mit, um das Gesehene zu verarbeiten. Und Verarbeiten-Können heißt ja immer auch Amüsieren, oder? Damit beginnt ja dann das Überlegene.

Da bedankt sich die Autorin trotz aller Holterpolterheiten schön für das Gespräch. Der Mensch hat Ahnung.

Petra Höfer