Ein Sanierungsfall

■ Was wird bei der Neuköllner Jungfernmühle saniert - der Bau oder der Archtiekt?

Nur eine Chemikalie stinkt und ätzt unangenehmer als Hundedreck: Taubenkot. Die Nachbarn des Grundstücks Goldammerstraße Ecke Baumläuferweg in Britz können ein trauriges Lied davon singen. Gepflegte Autolakkierungen, mühsam gehegte Vorgärten und akkurat gestutzte Rasenflächen werden von Hunderten der graugefiederten Unholde förmlich zugeschissen.

Ursache und Refugium für die Taubenpopulation ist die Jungfernmühle, ältestes Bauwerk seiner Art in Berlin. Umgeben von den Hochhäusern der Gropiusstadt rottet die 1980 stillgelegte Mühle zwar denkmalgeschützt, aber ihrer Flügel beraubt und auch sonst in jämmerlichem Zustand vor sich hin. Der Zimmermann Adrian den Ouden hatte sie 1753 in Potsdam als „Erdholländer“ errichtet, das heißt der Kopf ist gegen den Wind schwenkbar. Die Tochter eines Müllers lief, mit tödlichem Ausgang, gegen einen der sich drehenden Flügel daher der Name. 1853 wurde die Mühle nach Rixdorf umgesetzt, 1892 - die zunehmende Bebauung nahm ihr den Wind - ins Buckower „Buschfeld“.

Der Berliner Architekt Heinz Kroht will das Bauwerk „ohne öffentliche Gelder“ restaurieren. Das „Restaurieren“ beinhaltet aber auch für sechs Millionen Mark den Bau von Läden, Arztpraxen, einer „Frühstückspension“ und einer unterirdischen Kegelbahn. Im Bauamt Neukölln hat man andere Pläne. Baustadtrat Branoner (CDU) ist das Vorhaben des Architekten „zu massiv“, obwohl er sich eine wirtschaftliche Nutzung, etwa als Biergarten, vorstellen kann. Die Bezirksamtspläne sehen vor, die Freiflächen unbebaut zu lassen und nur die Mühle zu erhalten. Der Landeskonservator schätzt die Kosten auf rund eine Million Mark.

Im Stadtplanungsamt herrscht Verwunderung über den Architekten Kroh, der dem Mühlenbesitzer Ernst Wienecke das Vorkaufsrecht für das Grundstück abgerungen hat und somit alle weiteren Verhandlungen blockiert. Es sei von jeher bekannt, daß eine Bebauung nicht in Frage käme. Kroh gehe es offenbar um etwas anderes als die Mühle. „De facto bin ich Besitzer des Anliegens“, meint Kroh, „ich habe mir aber ein vertragliches Rücktrittsrecht eingeräumt.“ Er will Widerspruch gegen den Bebauungsplan einlegen und klagen. Laut Baugesetz habe er einen „Übernahmeanspruch“. Kann der Eigentümer wegen der Planungsauflagen nicht bauen, muß ihm das Land das Grundstück „zum Verkehrswert“ abkaufen. Der Bezirk ist anderer Meinung, eine Prozeßlawine ist also absehbar.

Der holländische Mühlenbauer Lieuw hält nicht viel von den jetzigen Plänen. Eine renovierte Mühle, die nicht arbeiten kann, weil die umliegende Bebauung den Wind abhält, findet er so stilvoll wie eine Schwarzwaldmühle in Disneyland. Sein Vorschlag: Abriß und Neuerrichtung auf dem Buga-Gelände.

Burckhard Schröder