„Von Dortmund direkt an den Strand“

Der Regionalflughafen Dortmund Wickede bietet jetzt auch Touristik-Flüge an / Bürgerinitiative kämpft seit Jahren gegen scheibchenweise Vergrößerung des ehemaligen Sportflugplatzes / SPD argumentiert mit Wirtschaftsförderung / Projekt erwirtschaftet nur Defizite  ■  Aus Dortmund Anne Weber

„In nur zehn Minuten waan we hier, gezz noch drei, vier Stunden, dann sind we schon am Strand“, strahlt die alte Dame. Ihre Handtasche fest an den Brustkorb gepresst, lobt sie den Regionalflughafen in Dortmund-Wickede in den höchsten Tönen. Das sei „doch ne prima Sache“, „endlich kannze auch als ganz normaler Mensch hier wech in Urlaub fliegen, nich nur als Geschäftsmann“. Insgesamt herrscht gute Stimmung bei den Fluggästen im Dortmunder Terminal. Die meisten kommen aus dem Revier. Seit Mai können sie „von Dortmund direkt an den Strand“ reisen. Korsika, Rimini und Jugoslawien stehen auf dem Programm. Weniger begeistert als die Reisewilligen sind die Anwohner des Regionalflughafens. „Die Touristikflüge geben uns den Rest, wenn sich das einschleift, dann kommen wir gegen den Flughafen nicht mehr an“, befürchtet Reinhard Stemann-Droste von der Schutzgemeinschaft „Fluglärm e.V.“. In der Bürgerinitiative gegen den Regionalflughafen engagieren sich seit fast 15 Jahren BürgerInnen aus Dortmund und der Nachbarstadt Unna. „Verheerend“, sagt der gebürtiger Wickeder, seien die Veränderungen des ehemals ländlichen Wohngebiets, die durch den Ende der sechziger Jahre begonnenen Ausbau eines kleinen Sportflughafens entstanden sind. Wochentags hört man den Start- und Landelärm der 18-sitzigen Linienmaschinen, die hauptsächlich für den Verkehr nach Berlin, München, Nürnberg und Stuttgart eingesetzt werden. Samstags und Sonntags sorgt nun der Tourismus - Charterflugzeuge mit jeweils 46 Passagieren/Innen - für Krach. Hinzu kommt der sogenannte Wochenendlärm von unzähligen Sport- und Rundflügen. In Wickede siedeln sich zunehmend gewerbliche Betriebe an, da das Bauland mittlerweile unattraktiv und somit preiswert geworden ist. Der Autoverkehr auf der breiten Landstraße, die zu dem Flughafen führt, hat sich in den letzten Jahren nach Auskunft der AnwohnerInnen verzehnfacht.

„Aber wir leiden nicht nur unter der Lärmbelästigung, wir riechen den Flughafen auch, die Kerosinemmissionen sind widerlich und gesundheitsgefährdend“, klagt Ursula Wirtz von der „Schutzgemeinschaft“. Ähnlich lauten die Beschwerden der BürgerInnen, die in den angrenzenden Dortmunder Stadtteilen Holzwickede und Aplerbeck, in Unna-Massen und Unna-City wohnen. Bislang zeitigte das Engagement der rund 1.500 Mitglieder starken Schutzgemeinschaft noch keinen handfesten Erfolg. „Jahrelang hat man versucht, uns totzuschweigen. Die SPD wollte unsere diversen Unterschriftensammlungen nie zur Kenntnis nehmen. Von uns eingeladene Vertreter der städtischen Flughafen GmbH und Politiker haben sich vor Bürgerversammlungen gedrückt, sind einfach nicht erschienen“, beschreibt Frau Montag aus Aplerbeck die Ignoranz der hiesigen SPD.

Die SPD hat die absolute Mehrheit in Dortmund. Sie schaltet und waltet in Sachen Flughafen ganz, wie es ihr beliebt. Die KritikerInnen nennen ihr Vorgehen in Wikkede „die Salamitaktik“, denn „scheibchenweise ist in Dortmund gegen den Bürgerwillen verstoßen worden. Und die Scheiben wurden immer dicker“, so Frau Wirtz. 1969 kaufte die Flughafen GmbH Dortmund, eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Stadt, den Sportflughafen. Anfang der siebziger Jahre ließ sie eine ehemalige kleine Graspiste auf 650 Meter ausgebauen und betonieren. Flugzeuge bis zu drei Tonnen Gewicht durften starten. Die ersten Geschäftsreisenden nutzten den Flughafen für innerdeutsche Flüge.

Die Stadt Dortmund deklarierte den Flughafen als Wirtschaftsförderungsprojekt. Daraufhin gab der zuständige Regierungspräsident in Münster grünes Licht. Das Wirtschaftsministerium des Landes NRW zeigte sich investitionswillig. Man wollte eine Entlastungsmöglichkeit für den Düsseldorfer Flughafen schaffen. Bis 1986 wurden die Start- und Landebahn inclusive zweier Stoppflächen „scheibchenweise“ auf 1450 Meter verlängert, das zulässige Startgewicht auf 30 Tonnen erhöht. „Wenn man hier im Ruhrgebiet etwas durchsetzen will, wie dieses reine Prestige -Objekt Flughafen, muß man es nur Wirtschaftsförderung nennen“, erregt sich eine Flughafengegnerin.

Tatsächlich ist das Argument der Wirtschaftsförderung für Dortmund Wickede nicht sehr überzeugend. Die dort angesiedelten Betriebe sind, bis auf eine japanische Elektronikfirma, in keinem Zusammenhang mit dem Flughafen zu sehen. Die „Schutzgemeinschaft“ hat eine äußerst geringe personelle Auslastung der Linienflüge errechnet: 7,7 Passagiere kommen durchschnittlich auf eine Maschine. Der Stadt Dortmund bringt das „Wirtschaftsförderungsprojekt“, das sie an die RFG vermietet hat, ein jährliches Defizit von etwa zwei Millionen Mark.

Zu dem finanziellen Schaden haben die Dortmunder SPD -Politiker jetzt erstmalig ernsthafte Probleme mit den FlughafengegnerInnen. Die Schutzgemeinschaft hat Unterstützung bekommen. Pikanterweise und für die Stadt Dortmund besonders unangenehm sind es Genossen, die in der Nachbarstadt gegen sie antreten. Die Stadt Unna klagt zusammen mit einzelnen BürgerInnen der „Schutzgemeinschaft“ auf ein Planfeststellungsverfahren. Heinz Steffen, Fraktionsvorsitzender der SPD in Unna: „Das Wirtschaftsförderungsargument erkennen wir an. Bei der Salamitaktik machen wir aber nicht mehr weiter mit, das heißt Privat-, Touristik- und, wie geplant, Containerflüge gehören da nicht hin.“ Die „Schutzgemeinschaft“, bislang nur unterstützt von den Grünen, hofft, daß die '89 anstehenden Kommunalwahlen noch so manchen SPD-Politiker auf ihre Seite bringen werden. An den Stadtgrenzen zwischen Essen und Mühlheim sowie zwischen Recklinghausen und Marl wird der Kampf um Wickede mit Spannung verfolgt. Dort wehren sich zur Zeit ebenfalls Bürgerinitiativen gegen eine SPD-Politik, die Sportflugplätze zu Regionalflughäfen wachsen lassen will.

Rolf, einen Studenten, der von Wickede aus nach Korsika starten will, interessieren diese Probleme weniger. „Und das ist eben auch der eindeutige Vorteil“, sagt er, „man braucht nicht mehr den Umweg zum Düsseldorfer Flughafen zu machen.“ Dann räumt er ein: „Ganz unproblematisch ist das ja mit Wickede nicht. Es gibt doch da so eine Bürgerinitiative gegen den Flughafen, aber genaues weiß ich nicht.“